Gewinner mit Widerstands-Legende

Petros Markaris lässt seinen Krimi «Abrechnung» vor dem Hintergrund der Krise in Griechenland spielen

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 3 Min.

Abrechnung« - damit ist nicht ein neuer Fall für den inzwischen weltbekannten Polizisten Kostas Charitas gemeinst, vor allem geht es in dem Roman von Petros Markaris um eine Abrechnung mit den Konflikten in der griechischen Gegenwart und wie es zu ihnen gekommen ist.

Markaris, 1937 als Grieche in Istanbul geboren und nicht zuletzt durch seine Übersetzungen deutscher Dramatiker wie Brecht und Goethe zu einem der bekanntesten griechischen Autoren geworden, lässt die Handlung am 1. Januar 2014 beginnen, dem Tag, an dem sich Griechenland vom Euro verabschiedet und die Drachme wieder eingeführt hat. Das war als der Roman vor zwei Jahren geschrieben wurde, eine denkbare Alternative und ist jetzt, als die von Michaela Prinzinger besorgte deutsche Übersetzung erscheint, eine von der Vergangenheit überholte Zukunftsvision.

Drei Morde, alle nach einem sehr ähnlichen Muster, halten den Kommissar in Atem. Die drei Opfer waren vor 40 Jahren als Studenten an der gegen die damalige Militärjunta gerichteten Besetzung des Polytechnikums in Athen beteiligt. Nach dem Sieg der Demokratie haben sie auf dem Ticket des Widerstandes Karriere gemacht und nahmen als »Helden« des Aufstandes Privilegien in Anspruch, die sie als Bauunternehmer, als Universitätsprofessor und als leitenden Gewerkschaftsfunktionär ganz nach oben spülten.

Dabei kam es zu den wohl üblichen Unregelmäßigkeiten. Die Kraft, die sie seinerzeit für die Demokratie eingesetzt hatten, wandte sich zunehmend gegen Konkurrenten. In der Familie begannen sich die Kinder vor ihren Vätern, die ihre Widerstands-Legende vor sich hertrugen, zu ekeln und sich von ihnen abzuwenden. Die Mordopfer galten zum Zeitpunkt ihrer Ermordung als Veteranen der Linken Freiheitskämpfer, so dass sich die Ermittlungen gegen eine im Zuge der Finanzkrise erstarkte rechte Terrorszene richten.

Aber auch enttäuschte Weggefährten von damals kommen ins Fadenkreuz der kleinen Ermittlerschar. Die Beamten haben gerade erfahren, dass sie drei Monate lang kein Gehalt beziehen werden: Sparmaßnahmen.

Der Spannungsbogen ist, wie bei Markaris gewohnt, gut gebaut. Die Ratlosigkeit bei der Polizei löst sich in langsamen Schritten auf, alles ist plausibel, manches ein wenig überraschend - ein gut gebauter Kriminalroman. Was ihn in dem sonst eher flachen Genre auszeichnet, ist die Darstellung der sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse der griechischen Gegenwart: Verelendung auf der einen, eine in knappen Seitenblicken auf die Vergangenheit realistische und selbstkritische Darstellung der Ursachen für die Entstehung der Krise auf der anderen Seite und die Strategien der kleinen Leute, mit dem Verfall des Geldes und der staatlichen Strukturen umzugehen.

Vor allem die Nebenrollen sind glänzend besetzt. In erster Linie wieder Charitos Familie: Seine Frau Adriani, die mit den knappsten Mitteln köstliche Gerichte auf den Tisch zaubert, seine Tochter Katerina, die sich als Strafverteidigerin mutig um die auf der Schattenseite der Gesellschaft Gelandeten kümmert. In einer denkwürdigen Bürogemeinschaft mit ihr betreibt ihre Freundin Mania eine psychologische Praxis. Entgegen der deutschfeindlichen Stimmung in Griechenland hat sie einen deutschen Freund, der sie bei ihrem Hoffnung spendenden Einsatz unterstützt. Ein kommunistischer Bürgerkriegsveteran wirkt segensreich in einer Obdachlosenunterkunft.

Spannung, Zeitgeschichte und Athener Lokalkolorit vereinigen sich zu einem sehr lesenswerten Kriminalroman, der unterhält und Verständnis weckt - so sollten Kriminalromane etwas transportieren, was sonst vielleicht massenhaft an das Publikum getragen werden könnte!

Petros Markaris: Abrechnung Roman. Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes. 312 S., geb., 22,90 €.

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