Döpfners Reich

Netzwoche

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Vergangenen Montag passierte beim Axel-Springer-Verlag etwas Außergewöhnliches: Nicolaus Fest, stellvertretender Chefredakteur der «Bild am Sonntag» (BamS), bekam von Kai Diekmann, dem Herausgeber des Blattes, eine Art öffentliche Abmahnung. Anlass war ein Kommentar von Fest in der BamS, in dem dieser Muslimen pauschal einen Hang zur Intoleranz und Gewalt unterstellte und ihre Religion als Integrationshindernis bezeichnete. Seine Argumentation legt den Schluss nahe, dass ausländische Muslime künftig von der Einwanderung nach Deutschland ausgeschlossen werden sollten. Von Kai Diekmann, Chefredakteur des Schwesterblattes «Bild», wurde Fest daraufhin in Form eines Gegenkommentars zurechtgewiesen.

Der Medienjournalist Stefan Niggemeier weist in seinem Blog stefan-niggemeier.de darauf hin, dass der Kommentar von Fest kein Ausrutscher war. So habe er 2008 in einer Kolumne die «Vorteile homogener Gesellschaften» gerühmt «und argumentiert, dass die Beseitigung von kultureller Vielheit Gesellschaften »Frieden und Stabilität« bringen könne.

Der Wirtschaftsreporter Lutz Meier beschäftigt sich auf blogs.stern.de/meiersmedienblog weniger mit den Inhalten von Fests Kommentar und Diekmanns Erwiderung (»Wer eine Religion pauschal ablehnt, der stellt sich gegen Millionen und Milliarden Menschen, die in überwältigender Mehrheit friedlich leben«), sondern mit der Frage, was der Vorgang über die Hierarchie im Axel-Springer-Verlag aussagt. »Nach dem Chefredakteursprinzip wäre es an ›Bild am Sonntag‹-Chefin Marion Horn gewesen, ihrem Stellvertreter Fest die Grenze aufzuzeigen«, schreibt Meier. Die habe Fest allerdings zunächst trotz »heftiger Kritik an Fests hanebüchener These aus allen wichtigen Parteien« verteidigt und sei erst umgeschwenkt, als Kai Diekmann aktiv wurde. Bis dahin sei dies »auch das noch ein ganz normaler Vollzug des Chefredakteursprinzips«, meint Meier. »Doch bemerkenswerterweise beschränkt sich Diekmann in seinen Zeilen eben nicht auf die Aufgabe des Herausgebers, für die ›Bild‹-Titel zu sagen, wie weit sie gehen und wo die Grenze ist. Nein, er tut es gleich für den gesamten Verlag Axel Springer.« Für »›Bild‹ und Axel Springer gab und gibt es bei all diesen Debatten eine klare, unverrückbare Trennlinie zwischen der Weltreligion des Islam und der menschenverachtenden Ideologie des Islamismus«, zitiert Meier aus Diekmanns Kolumne.

Diese Festlegung maße »sich selbst ein Kai Diekmann nicht einfach so an. Er tut es unter geschickter Anrufung der höheren Instanz - nämlich von Mathias Döpfner.« (Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, d. Red.), mutmaßt Meier, und: Diekmann habe den Kommentar nicht geschrieben, ohne vorher mit Döpfner Rücksprache gehalten zu haben. Dass Fest durch Diekmann in die Schranken gewiesen worden sei, sei deshalb kein Beleg für die »Liberalität des Hauses Springer«, sondern für »das feudalistische Prinzip, dem das Haus folgt«.

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