Linkenpolitiker warnen vor KPU-Verbotsverfahren

Brief an ukrainischen Präsidenten Poroschenko / Übergriffe und Verbotsverfahren gegen Kommunistische Partei Anlass zu »großer Sorge«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Politiker der Linkspartei haben an den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und weitere ukrainische Politiker appelliert, das Verbotsverfahren gegen die Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) zu stoppen. Die Lage der Partei sei Anlass zu »großer Sorge«, heißt es in einem Brief mit Blick auf körperlichen Angriffe auf den KPU-Vorsitzenden Petro Symonenko im Parlament und andere Vorfälle. Ein Verbot der KPU wäre »ein herber Schlag gegen die Demokratie«, so das Schreiben von Wolfgang Gehrcke, das von Gregor Gysi, Gabi Zimmer, Katja Kipping, Bernd Riexinger und weiteren Parlamentariern mitgezeichnet wurde. »Dabei geht es uns nicht darum, dass wir die Meinungen und Ziele der KPU teilen, sondern um die demokratische Gestalt der Gesellschaft der Ukraine.«

Widersprüche müssten ausgehalten werden, schreiben die Linkenpolitiker. Ein Verbot der Kommunistischen Partei würde die Meinungsfreiheit und Demokratie einschränken. »Wir sind uns sicher, dass Parlamentarier in ganz Europa diese Entwicklungen mit großer Sorge und Aufmerksamkeit betrachten.« Poroschenko wird in dem Brief gebeten, »dafür Sorge zu tragen, dass die Abgeordneten der KPU ohne Gefahr für Leben und Gesundheit ihr Mandat, das ihnen die Bürgerinnen und Bürger übertragen haben, ausüben und dass sie sich und ihre politischen Überzeugungen auch künftig zur Wahl stellen können, wie das in einer Demokratie üblich ist.« nd

Dokumentiert:

Eure Exzellenz, sehr geehrter Herr Präsident Poroschenko,
Eure Exzellenz, sehr geehrter Herr Minister Petrenko,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete der Werchowna Rada,

mit Interesse und Anteilnahme verfolgen wir, Abgeordnete des Deutschen Bundestags und des Europäischen Parlaments, die Entwicklungen in Ihrem Land, insbesondere das Streben vieler Menschen nach einer demokratischen Gesellschaft. Wir wünschen uns für die Ukraine, dass sich die Sehnsucht der Menschen, die sich in den vergangenen Jahren für mehr Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und Frieden eingesetzt haben, erfüllen möge. Alle Entwicklungen, die dazu imWiderspruch stehen, beobachten wir sehr kritisch.

In diesem Zusammenhang erfüllt uns die Situation unserer Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) mit großer Sorge. Die körperlichen Angriffe auf den Vorsitzenden der KPU-Fraktion, Petro Symonenko, während seiner Rede im Parlament am 8.4.2014 waren auch in unseren Medien zu sehen. Wir kennen Berichte von zahlreichen Übergriffen gegen Einrichtungen und Repräsentanten der KPU.

Nun wird die KPU, die im Jahr 2012 die Stimmen von mehr als 13 Prozent der Wählerinnen und Wählern erhielt, mit einem Verbotsverfahren bedroht. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die KPU verboten wird, wäre dies ein herber Schlag gegen die Demokratie. Dabei geht es uns nicht darum, dass wir die Meinungen und Ziele der KPU teilen, sondern um die demokratische Gestalt der Gesellschaft der Ukraine. Widersprüche müssen ausgehalten werden, und ein Verbot der Kommunistischen Partei der Ukraine schränkte die Meinungsfreiheit, die Breite der gesellschaftlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen, die Demokratie und Freiheit ein. Wir sind uns sicher, dass Parlamentarier in ganz Europa diese Entwicklungen mit großer Sorge und Aufmerksamkeit betrachten. Viele Länder in Europa, darunter auch unseres, haben schlechte Erfahrungen mit der Einschränkung der demokratischen Willensbildung gemacht und wir sind froh, dass wir diese überwunden haben.

Wir bitten Sie, dafür Sorge zu tragen, dass die Abgeordneten der KPU ohne Gefahr für Leben und Gesundheit ihr Mandat, das ihnen die Bürgerinnen und Bürger übertragen haben, ausüben und dass sie sich und ihre politischen Überzeugungen auch künftig zur Wahl stellen können, wie das in einer Demokratie üblich ist. Das kann für die demokratische, soziale und friedliche Entwicklung der Ukraine nur von Nutzen sein.

Berlin, 1. 8. 2014
Hochachtungsvoll
Wolfgang Gehrcke (stellvertretender Fraktionsvorsitzender)

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