Gaucks Rede, Gabriels Lektion
Tom Strohschneider über Kriegs-Gedenken und Verantwortung
Joachim Gauck hat zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg erklärt, es sei heutiges Handeln, das zeigen werde, »dass wir unsere Lektion wirklich gelernt haben«.
Die Lehre, die der Bundespräsident als die »unsere« formulierte, wird von ihm seit Monaten als neues deutsches Selbstverständnis propagiert: eine »Verantwortung«, die sich an selbst zugesprochener Größe bemisst und vor Waffengängen nicht scheuen soll.
Eine in andere Richtung zumindest weisende Lehre zog dagegen der Wirtschaftsminister und stoppte ein Rüstungsgeschäft, das noch die Vorgängerregierung genehmigt hatte. Dass es sich um einen Deal mit Russland handelte, wird Sigmar Gabriel die Entscheidung erleichtert haben – sie passt in die aktuelle außenpolitische Linie und die führt nicht nach Moskau. Dennoch ist es ein wichtiger Schritt, wenn weitere folgen.
Vor Wochen hatte Gabriel mit Blick auf Waffenexporte erklärt, er könne »leider die Entscheidungen der letzten Jahre nicht rückgängig machen«. Nun hat er genau das getan. Und sich so unter Zugzwang gesetzt: Was ist mit den anderen Waffendeals mit Russland? Und muss nicht auch etwa für arabische Regime gelten, was für Moskau zur Begründung herhält – dass Waffenexport weder so noch so »zu verantworten« ist?
Mit dem Stopp aller Rüstungsausfuhren und dem radikalen Umbau der Branche wäre zu zeigen, »dass wir unsere Lektion wirklich gelernt haben«. Das hat Gauck nicht gemeint – und Gabriel scheut davor noch zurück. Aber: Wer übernimmt diese Verantwortung?
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