Die Golf-Lüge

Kalenderblatt

  • Hellmut Kapfenberger
  • Lesedauer: 2 Min.

Lügen gehören zum Geschäft des Krieges. Eine der berühmtesten ist die vom »Zwischenfall im Golf von Tonkin« von 1964.

Intensive Bemühungen der USA, mit verdeckten Operationen Nordvietnam zu destabilisieren, hatte es schon seit etlichen Jahren gegeben. Den erst durch Daniel Ellsberg publik gewordenen Geheimdokumenten, den sogenannten Pentagon Papers, war zu entnehmen, dass schon im Mai 1961 die Chefs aller Teilstreitkräfte der USA-Army gegenüber Verteidigungsminister McNamara die Entsendung von Kampftruppen nach dem Süden und Angriffe auf den Norden Vietnams gefordert hatten. McNamara und Außenminister Dean Rusk plädierten daraufhin in einem Memorandum an Präsident John F. Kennedy für entsprechende Vorbereitungen. Ohne direktes militärisches Eingreifen erschien Südvietnam als antikommunistisches Bollwerk nicht mehr zu halten. Die von der Nationalen Befreiungsfront (FNL) mit aktiver Unterstützung aus dem Norden kontrollierten Gebiete umfassten 1964 schon fast vier Fünftel des südvietnamesischen Territoriums. Das Pentagon legte den Entwurf einer Resolution vor, »mit dem der Kongress um Zustimmung ersucht wurde, die Militäraktionen in Indochina auszuweiten«. Dies war, so McNamara, »der Ursprung der späteren Tonkin-Resolution«.

Was geschah aber wirklich vor der Küste der DRV, im Golf von Bac Bo (vietnamesischer Name)? Es genügt, McNamara zu Wort kommen zu lassen: In der Nacht zum 30. Juli griffen zwei südviet-namesische Patrouillenboote zwei nordvietnamesische Inseln an, weil man den »Verdacht« hegte, von dort seien »Infiltrationsaktionen gegen den Süden unterstützt« worden. Am folgenden Tag lief der US-Zerstörer »Maddox« in den Golf ein. Am Nachmittag des 2. August meldete er, von zwei nordvietnamesischen Schnellbooten angegriffen zu werden. Da es aber »weder Verletzte noch Beschädigungen am Schiff« gab, darf davon ausgegangen werden, dass die DRV-Boote nur ein paar Warnschüsse abgegeben haben.

Am Morgen des 4. August erfolgte ein weiterer Überfall auf die Küste Nordvietnams. Am Abend meldete die »Maddox« Radarkontakt »mit drei nicht identifizierten Schiffen«; ein Angriff scheine unmittelbar bevorzustehen. Vom nahen Flugzeugträger »Ticonderoga« stiegen Kampfflugzeuge auf. Alles weitere, von McNamara freimütig geschildert, spricht Bände. Es hätten »extrem schwierige Sichtbedingungen« im Golf zu »Konfusion« geführt. Es sei nicht klar gewesen, ob die DRV wirklich angegriffen habe. Doch man wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Am Abend trat in Washington der Nationale Sicherheitsrat zusammen, es gab eine Spitzenrunde im Oval Office des Weißen Hauses. Am 7. August beschlossen beide Häuser des Kongresses die schon seit Monaten bereitliegende »Tonkin-Resolution«, die grünes Licht für den Krieg gegen die DRV gab.

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