Falsche Tierhaltung wird richtig teuer

Gericht entschied über einen Mann aus Wedding, der für 15 Küken in einer Pappschachtel 1200 Euro zahlen muss

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
15 Küken der Sorte »Brahma« auf einem Balkon in Wedding sind Stein des Anstoßes. Dafür muss ein »Tierfreund« nun tief in die Tasche greifen.

Der Berliner Arif Ü. hatte 2013 eine tolle Idee. Jedes Jahr fährt er mit seiner Familie nach Anatolien zu seinen Eltern in den Urlaub. Diesmal wollte er etwas Besonderes aus dem fernen Deutschland mitbringen. Etwas Bleibendes - zumindest für eine gewisse Zeit. Im Internet durchforstete er die entsprechenden Seiten und erwarb am 7. Juni 15 Küken der Marke »Brahma«. Sie werden je nach Größe zwischen 3 und 15 Euro gehandelt. Eine Woche sollten die piepsenden Kuschelwuschelklopse in einer Pappkiste von 65 mal 38 Zentimeter auf dem Balkon in Wedding aushalten. Doch da hatte Arif Ü. die Rechnung ohne einen aufmerksamen Nachbarn gemacht. Der schickte eine anonyme Beschwerde an das Bezirksamt. Nun nahm das Unheil seinen Lauf.

Am 12. Juni rückte das Veterinäramt des Bezirkes Mitte an und konstatierte: Der Pappkarton ist viel zu klein für 15 Küken. Außerdem sei die Kiste verdreckt, die Tiere ohne ausreichend Nahrung und Wasser. Grund genug, die »Brahmas« zu beschlagnahmen und sie dem Tierschutzbund zu überstellen. Da half auch keine Versicherung, dass die Tiere in zwei Tagen auf Reisen gehen würden und dafür eigens ein Gitterkäfig für den Transport gebaut wurde. Das Federvieh war weg und Arif Ü. fuhr mit Pkw, mit Frau und Kindern, mit Sack und Pack, aber ohne das Geschenk für die Eltern in die Türkei.

Aber nun entfaltete die TierBBnGVO ihre volle Kraft. Es ist die Tierbetreuung-Benutzungsgebühren-Verordnung. Sie ist seit 2001 gültig. Sie gestattet den Behörden, bei nicht artgerechter Tierhaltung die Viecher auf Kosten des Eigentümers unterzubringen. Die TierBBnGVO regelt, wie viel für welche Kreaturen pro Tag hinzublättern sind: 35,79 Euro für Hunde und andere Großtiere, 17,38 Euro für Katzen und ähnliche Tiere sowie 7,16 Euro für Vögel und Kleintiere. Außerdem werden für das Transportbehältnis 35,79 Euro fällig.

Als Arif Ü. aus dem Urlaub zurück nach Berlin kam, fand er eine Rechnung des Bezirksamtes vor. 1897,38 Euro für 17 Tage Kükenpflege. Als er dagegen opponierte, kamen noch einmal 136 Euro Widerspruchsgebühren hinzu. Er zog vor Gericht, am Dienstag wurde verhandelt. »Für das Geld hätte sein Mandant zwei Elefanten großziehen können«, erboste sich der Anwalt. Ü. selbst war nicht anwesend - er war wieder bei seiner Familie in der Türkei. »Die Sache ist einfach nur dumm gelaufen«, fügte er hinzu. Da sein Mandant auf Urlaubsreise war, hatte er nicht sofort reagieren können. Die Summe sei völlig unangemessen. Dass er zahlen müsse, das habe er ihm unmissverständlich klargemacht. Aber die Höhe der Strafe sei unverhältnismäßig.

Dem konnte auch der Richter nicht widersprechen. Und zauberte einen Kompromiss aus dem Ärmel. 1200 Euro in Ratenzahlung zu monatlich 200 Euro und die Angelegenheit sei vergessen. Dem stimmten der Anwalt und der Bezirksamtsvertreter zu. Wenn Arif Ü. in der nächsten Woche aus dem Urlaub kommen wird, werden wieder ein paar Rechnungen vorliegen: 1200 für die Kükenaktion, dann die Kosten des Verfahrens und schließlich die Anwaltskosten. Unter dem Strich ist es teures Federvieh.

Die Behörden reagieren zurecht schnell, wenn Tierquälerei oder nicht artgerechte Haltung vermutet werden. Einmal monatlich müssen sie in Berlin wegen »Animal Hoarding«, dem krankhaften Anhäufen von Tieren in Wohnungen, einschreiten. Oft gehen Verwahrlosung von Kleinkindern, verdreckte Quartiere mit nicht artgerechter Tierhaltung einher. In 80 Prozent sind es ältere Frauen, denen die Tierliebe über den Kopf wächst und die nicht mehr in der Lage sind, für ihre einzigen Freunde zu sorgen. Bei Arif Ü. war das indes nicht der Fall, hier war es nur dumm gelaufen.

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