Wir nerven

Wer sieht, wie Schalke 04 Fußball spielt, kann nur kritische Fragen stellen. Doch stattdessen wird von uns Journalisten eine platte Trainerdebatte geführt, die die meisten Leute nur noch abstößt.

Wenn Journalisten meinen, sie müssten »Themen setzen«, wird es gefährlich. Zum einen, weil sie genau das nicht müssen. Ihr Job ist eigentlich, sich an der Realität zu orientieren, nicht sie zu formen. Zum anderen, weil die ganze Setzerei oft eine Eigendynamik annimmt, die für jede Menge Betriebsamkeit im Elfenbeinturm Journalismus sorgt, drumherum aber ganz andere Reaktionen hervorruft.

Man merkt das an der aktuellen Debatte über Schalkes Trainer Jens Keller. Der Mann hat ja mittlerweile eine gewisse Routine darin entwickelt, die erwartbaren Fragen nach seiner Zukunft mit dem genervt-lapidaren Hinweis zu kontern, er stehe seit seinem ersten Arbeitstag auf Schalke zur Disposition, weshalb ihn auch diesmal das ganze Palaver kalt lasse. So weit, so gut, so langweilig.

Doch interessanterweise ist nach der gefühlt 237. Trainerdebatte, die irgendwann zwischen der Niederlage in Dresden und der in Hannover losbrach, gut zu beobachten, wie das ganze Krisenpalaver von den Fußball-Interessierten aufgenommen wird: nämlich vollkommen gelangweilt. Dass Keller tatsächlich demnächst fliegt, glaubt kaum einer – nach dem 17. Feueralarm in der Grundschule gehen die Schüler schließlich auch deutlich gelangweilter vom Klassenzimmer zum Schulhof als beim ersten. Dafür hört man ziemlich viele wütende Kommentare über die Presse, die den »armen Mann« mit ihrer Dauerhysterie nicht in Ruhe lasse.

Aus journalistischer Sicht heißt das eigentlich: Thema gesetzt, Thema verfehlt. Schließlich ist es ja tatsächlich so, dass Schalke Jahr für Jahr an den eigenen Ansprüchen scheitert. Und dass man bei der Frage, warum das so ist, durchaus AUCH die Rolle eines Trainers in Frage stellen kann, der nun auch schon immerhin seit zwei Jahren im Amt ist und offenbar seinen Kader ganz gut zusammengestellt findet. Es darf nur nicht bei der Trainerdebatte bleiben.

Auch Manager Horst Heldt spielt in dem ganzen Schlamassel eine undurchsichtige Rolle. Nach außen hin stärkt er dem Trainer den Rücken – was mannhaft und charakterstark wirkt. Und hinter den Kulissen hat er offenbar schon mehrere Male mit potenziellen Nachfolgern verhandelt, was Kellers Position nun auch nicht unbedingt stärkt. Und für die Zusammenstellung eines Kaders, der meist so inspiriert spielt wie Jens Keller redet, ist dann auch nicht nur einer verantwortlich.

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