Gemeinsam und mit Respekt

Die Kirchen wollen freundlicher missionieren / Ökumenische Konferenz in Berlin

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 4 Min.
Das vor drei Jahre verabschiedete Papier des ökumenischen Rates ist explizit politisch, zielt auf Veränderung. Nun muss es in Missionswerken und Gemeinden noch umgesetzt werden.

Seit fast 2000 Jahren folgen Christen dem Missionsbefehl ihres Herrn Jesus Christus. Fremde Völker wurden jahrhundertelang meist gewaltsam zum neuen Glauben gezwungen. Missionare und Conquistadoren gingen gemeinsam zu Werk. Die nord- und südamerikanischen Ureinwohner wurden noch auf dem Scheiterhaufen getauft, damit man der Mutterkirche möglichst viele »Bekehrte« melden konnte. Die Schwarzen Afrikas wurden von Deutschland aus meist als Feinde der weißen Missionare verstanden. So ging man in der Berliner Missionsordnung beispielsweise davon aus, dass jeder Stamm den Missionar von mit Misstrauen ansehen werde und dass der Häuptling insgeheim der entschiedene Feind des Evangeliums sei.

Doch die christliche Mission des 21. Jahrhunderts will menschenfreundlichere Wege gehen. Auf dem Berliner Missionskongress unter dem Titel »MissionRespekt. Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt« waren rund 250 Teilnehmende aus rund 20 Kirchen und Missionswerken aus aller Welt vertreten. »Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt« heißt auch das Dokument, dass ein Bündnis von Kirchen vor gut drei Jahren gemeinsam verabschiedet hat, der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), der Päpstlicher Rat für interreligiöse Angelegenheiten (PCID) und die Weltweite Evangelische Allianz (WEA). Ein historischer Schritt. Diese Kirchen sehen sich in ihrer Mission nicht mehr als Konkurrenten, sondern wollen sich künftig respektieren, ja sogar zur Durchsetzung gemeinsamer Ziele zusammenarbeiten. Anders als so oft in den Jahrhunderten zuvor soll christliche Mission nun von »Mitgefühl und Demut«, und eben nicht mehr von »Arroganz, Herablassung und Herabsetzung anderer« geprägt sein. Jede Form des Zwanges oder der Gewalt bei der Mission wird abgelehnt. »Verkündigung meint den Einsatz für Religionsfreiheit für alle Glaubensgemeinschaften im Land. Christliches Zeugnis meint Engagement für Bedrängte, und egal ob Christen oder Nicht-Christen, das Zeigen von echter Solidarität«, fordert Miguel Guixot, Sekretär des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog.

So hat das kaum ein Dutzend Seiten umfassende Dokument eine ausdrücklich politische Ausrichtung. Die christliche Mission müsse sich bei den Regierungen der Welt für die Religionsfreiheit und damit eben auch für die Menschenrechte einsetzen. Es gehe um die Hilfe etwa für Flüchtlinge. »Lasst uns doch einen sicheren Hafen bilden für die, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Natürlich ist das schwierig, es gibt eine Menge Akteure, von den Vereinten Nationen bis zu den Regierungen der jeweiligen Länder. Aber es braucht die moralischen Stimmen der Kirchen, die zusammenarbeiten müssen«, fordert der Direktor der Weltweiten Evangelischen Allianz Geoff Tunnicliffe. Der Kanadier spricht für 128 Evangelische Allianzen mit rund 600 Millionen Mitgliedern.

Schöne Worte, der aber auch Taten folgen müssen. Auf der Berliner Missionskonferenz selbst wurde zugegeben, dass das ökumenische Papier nun erst in den Missionswerken und Gemeinden aufgenommen und umgesetzt werden muss. Zudem sind weder Charismatiker noch pfingstlerische Kirchen mit an Bord, die mit ihrer aggressiven Form der Mission etwa in Südamerika sehr erfolgreich sind. So gibt es Berichte aus Brasilien, dass solchen Gruppen das persönliche Bekenntnis zu Jesus Christus und die so genannte Geist-Taufe wichtiger sind als jedes soziale Engagement. Religiöse Vielfalt wird von solchen christlichen Enthusiasten, deren Gottesdienste meist einer religiösen Show ähneln, als Bedrohung wahrgenommen. Andere Glaubensrichtungen werden ebenso bekämpft wie etwa Homosexuelle, die nicht als gottgemäß gelten. Zudem gibt es kleine, fundamentalistisch ausgerichtete Missionsgruppen, die demonstrativ in muslimisch geprägte Länder gehen. Dort ist die Abkehr vom Islam strengstens verboten. Solche meist aus dem westlichen Ausland stammende Christen nehmen damit ihren eigenen Tod, also das Märtyrertum, billigend in Kauf. Auf der Berliner Missionskonferenz wurden diese Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Methoden aber deutlich abgelehnt.

Es gehe vielmehr darum, sich gegen radikale und fundamentalistische Kräfte zur Wehr zu setzen. Gerade Kirchen mit ihren moderaten Positionen könnten in einer multireligiösen Welt ein wichtiger Friedensfaktor sein, etwa im Hinblick auf den radikalen Islam. »Moderate Kräfte im Islam brauchen moderate Kräfte im Christentum, um eine Chance zu haben, Extremisten in ihrer eigenen Religion auszubalancieren«, sagt der ehemalige schwedische Bischof und heutige Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen Anders Wejryd.

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