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Zwei Stufen über normal

Untreueprozess gegen Halles OB Bernd Wiegand fortgesetzt

  • Hendrik Lasch, Halle
  • Lesedauer: 3 Min.
Halles Rathauschef Bernd Wiegand hat bei der Besetzung von Stellen in seinem Büro gegen Gepflogenheiten in der Stadtverwaltung verstoßen und Warnungen davor in den Wind geschlagen.

Beförderung ist üblicherweise kein Lohn für ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Simona König indes wurde ein Aufstieg angeboten: Die Chefin des Personalrats im Rathaus von Halle bekam von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) die Leitung eines Fachbereichs und damit rund 1000 Euro mehr Gehalt angeboten.

Dabei hatte sich das Verhältnis zwischen der Gewerkschafterin und dem Rathauschef stark abgekühlt, seit dieser nach seiner Wahl im Juli 2012 nicht nur die Verwaltung radikal umbauen, sondern auch die Einstellung mehrerer Vertrauter in seinem Büro durchsetzen wollte. »Ich kann nicht sagen, dass ich mich gekauft gefühlt habe«, sagte König gestern im Landgericht Halle auf entsprechende Fragen des Richters, »ich habe es schlicht nicht verstanden.«

Vor Gericht musste König als Zeugin im Prozess gegen Wiegand aussagen, dem schwere Untreue vorgeworfen wird. Er soll seiner Büroleiterin, dem persönlichen und einer für Ordnung zuständigen Referentin zu viel Gehalt bezahlen. Konkret geht es um die Eingruppierung in Erfahrungsstufen. Der Rathauschef hatte seinen drei Vertrauten beim Amtsantritt im Dezember 2012 die Stufe 5 gewährt, für die es einer mindestens zehnjährigen Berufserfahrung bedarf. Über diese verfügen alle drei nicht, sagt die Staatsanwaltschaft und rechnet vor, dass der Stadt im Laufe der siebenjährigen Amtszeit Wiegands ein Schaden von rund 300 000 Euro entsteht. Bei einer Verurteilung drohen dem 57-jährigen Politiker sechs Monate bis zehn Jahre Haft.

In der ersten Verhandlung nach der Sommerpause wurde deutlich, dass der OB vorab auf Probleme hingewiesen worden war. Von einem »kollegialen Rat« sprach Kämmerer Egbert Geier, der den Chef in spe im November 2012 per Brief vor Rechts- und Verfahrensverstößen warnte. Am Freitag erklärte er, ein neuer Rathauschef könne je einen Vertrauten als persönlichen Referenten und als Pressesprecher einstellen: »Diese Personen kann er frei wählen, mehr nicht«, sagte Geier. Was die Eingruppierung anbelangt, habe es aber im Rathaus eine klare Regelung gegeben: »Bei Neueinstellungen ging es maximal bis Stufe 3«, sagte Geier, »mehr war nicht denkbar.« Er verwies auf eine Vereinbarung mit dem Personalrat, die nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2008 getroffen wurde. Die Regelung hätte Wiegand, der zuvor lange Jahre Beigeordneter für Sicherheit war, kennen müssen.

Den Zeugenaussagen zufolge drängte Wiegand aber darauf, seinen Arbeitsbereich umfangreicher und in hohem Tempo nach seinen persönlichen Vorstellungen umzugestalten. König verwies auf zahlreiche Gespräche im Sommer und Herbst 2012, in denen beraten wurde, wie die Verwaltung umgebaut werden konnte - und mittels welcher personeller Rochaden Stellen freizuräumen waren, deren Besetzung nicht den Vorstellungen des künftigen OB entsprach. Dieser drängte demnach darauf, den Umbau zum Amtsantritt am 1. Dezember zu vollziehen - auch wenn er laut Geier »in den bestehenden Strukturen hätte weiterarbeiten und diese Schritt für Schritt verändern können«. Zur notwendigen Mitwirkung des Personalrats gab es offenbar große Differenzen. Am Ende, sagte gestern dessen Vorsitzende, »war mein Vertrauen zerstört«.

Die Verteidigung widersprach indes dem Eindruck von »Vetternwirtschaft und willkürlicher Stellenbesetzung«, wie es Wiegands Anwalt Michael Nagel formulierte. Auch verfüge der Oberbürgermeister nicht über ein »Naturell, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen«. Der Prozess, der ursprünglich bereits im Juli beendet sein sollte, wird am 22. September fortgesetzt; ein Urteil fällt frühestens Ende Oktober.

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