Linke: Misshandlung von Flüchtlingen ist »Weckruf«

Riexinger kritisiert geschlossene Unterbringung in Heimen als inhuman / Bundesregierung fordert rasche Aufklärung der Vorwürfe gegen Wachschützer

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Berlin. Als einen »Weckruf« hat der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, die Misshandlung von Flüchtlingen in einer nordrhein-westfälischen Notunterkunft durch Wachleute bezeichnet. Gegenüber Handelsblatt online sagte er, »wir müssen weg von der geschlossenen Unterbringung von Flüchtlingen. Das ist inhuman und öffnet Tür und Tor für Machtmissbrauch.« Eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen müsse der Regelfall werden. Riexinger verlangte zugleich von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen eine vollständige Aufklärung des Falles. »Die politische Gesamtverantwortung für systematische Menschenrechtsverletzungen liegt letztlich bei der politischen Führung des Landes«, so Riexinger. Nichtstun sei unterlassene Hilfeleistung.

In der Notunterkunft in Burbach im Siegerland sollen Wachmänner einen etwa 20 Jahre alten Algerier misshandelt und gedemütigt haben. Der Vorfall ist auf einem Handy-Foto festgehalten. Darauf sind ein gefesselt am Boden liegender Mann und zwei uniformierte Sicherheitsleute zu sehen. Einer der beiden setzt dem Opfer seinen Fuß in den Nacken. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen vier Verdächtige und forschen nach weiteren Vorfällen. Dazu werden seit dem Wochenende Hunderte Bewohner der Notunterkunft befragt. Nach Angaben der Polizei gibt es Hinweise auf weitere Körperverletzungsdelikte, an denen zum Teil Mitarbeiter des Wachdienstes beteiligt gewesen sein könnten.

Die Bundesregierung hat eine schnelle Aufklärung der Misshandlungsvorwürfe gegen die Wachdienstmitarbeiter gefordert. »Diese Vorgänge müssen rasch, und sie müssen gründlich aufgearbeitet und aufgeklärt werden«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Das könne aber nicht von Berlin aus geschehen, ergänzte er. Sollte sich bestätigen, was die gezeigten Bilder nahelegten, »dann wären dies widerwärtige Taten«, betonte der Sprecher.

Derweil haben das Land NRW und der private Betreiber Konsequenzen gezogen. Dem Sicherheitsdienst sei gekündigt worden, teilte die Bezirksregierung Arnsberg mit, die in der Region für die Asylunterkünfte des Landes zuständig ist. Eine Sprecherin des Betreibers der Aufnahmeeinrichtung, der über NRW hinaus Unterkünfte betreut, betonte am Sonntagabend im ZDF, es seien neue Standards verabschiedet worden, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden. Die Bezirksregierung hat zur Auflage gemacht, dass nur noch geprüftes Sicherheitspersonal mit Führungszeugnis die Flüchtlinge schützen darf. Außerdem ist ein Mindestlohn zu zahlen.

Ein Journalist hatte den Ermittlern am Freitag ein Video übergeben, das einen anderen Übergriff auf einen Flüchtling in der Einrichtung zeigt. In der etwa 10- bis 15-sekündigen Sequenz ist nach Angaben der Polizei ein Mann zu sehen, der neben Erbrochenem auf einer Matratze sitzt und unter Androhung von Schlägen gezwungen wird, sich hinzulegen. Die Aufnahmen waren Auslöser für Durchsuchungen. Dabei fanden die Ermittler auf dem Handy eines der Verdächtigen das Foto. Außer den beiden Männern auf dem Bild stehen zwei weitere Wachleute im Fokus der Ermittler: Bei ihnen seien verbotene Waffen wie Schlagstöcke gefunden worden.

Auch in einem Flüchtlingsheim in Essen soll es nach einem Bericht des WDR-Magazins »Westpol« Attacken des Wachdienstes auf Asylbewerber gegeben haben. »Westpol« liegt nach eigenen Angaben ein ärztliches Attest eines Flüchtlings vor, das Verletzungen dokumentiert. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) fordert jetzt eine zügige Aufklärung der Übergriffe. »Wir dulden keine Gewalt gegen Asylsuchende. Wer Menschen in Not bedroht und schikaniert, muss hart bestraft werden«, sagte er. dpa/nd

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