CDU greift in die Schmuddelkiste

Bekannte Anwälte in Niedersachsen verlassen die Partei - Grund sind Attacken der Union gegen die Justiz

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Empörung bei Justiz, Politik und in den eigenen Reihen hat Niedersachsens CDU mit der Frage gesorgt, ob Hannovers Landgerichtspräsident auf einem Dienstcomputer Sex-Seiten betrachtet hat.

Als Hoffnungsträger der CDU wollte der prominente Rechtsanwalt Matthias Waldraff vor einem Jahr in Hannover auf den Sessel des Oberbürgermeisters gewählt werden. Doch er verlor gegen den Kandidaten der Sozialdemokraten. Nun hat die CDU Matthias Waldraff verloren. Er ist aus der Partei ausgetreten, und nahezu zeitgleich tat dies auch der Rechtsanwalt Michael Fastabend. Ihn hatte die CDU 2001 - erfolglos - ins Rennen geschickt, als ein neuer Präsident für die Region Hannover gewählt wurde. Die beiden Juristen reagierten mit ihrem Austritt, wie sie erklärten, auf eine erneute Attacke der Landtags-CDU gegen Niedersachsens Justiz.

Seit dem Regierungswechsel Anfang 2013 zählt Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz zu den Lieblingszielen der CDU. Sie nimmt die Grünen-Frau, wo immer sich Gelegenheit bietet, aufs Korn. Nun aber hat die Union dabei den Bogen überspannt, meinen nicht nur Politiker, sondern auch Repräsentanten der Justiz. Sie sind empört über eine Anfrage, die der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Jens Nacke, eingereicht hat. In ihr will er wissen, ob Hannovers Landgerichtspräsidenten Ralph Guise-Rübe vor Jahren in einer früheren Funktion bei der Justiz einen Dienst-PC für private Zwecke genutzt hat. Nacke präzisiert das, greift in die Schmuddelkiste und fragt, ob der Jurist auch Internetseiten »mit erotischen Darstellungen« aufgerufen hat oder solche, »auf denen erotische Dienstleistungen vermittelt beziehungsweise feilgeboten werden«. Aus »verlässlicher Quelle« will Jens Nacke die Information haben, dass sich Guise-Rübe am Bürocomputer Sex-Seiten angeschaut hat.

Überaus verärgert über den CDU-Mann haben hochrangige Richter ein Protestschreiben an alle vier Landtagsfraktionen geschickt, in dem sie betonen: Die Formulierungen der Anfrage grenzten an Rufmord und könnten das Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerichte »nachhaltig schädigen«.

Noch gibt es zu der CDU-Anfrage keine Antwort der Landesregierung. In einem Brief an Nacke hat sich aber bereits der Präsident des Oberlandesgerichts Celle, Peter Götz von Olenhusen, geäußert. Er sei der Sache nachgegangen, und: »Meine Prüfungen haben keine Anhaltspunkte für eine Richtigkeit des gegen Herrn Dr. Guise-Rübe geäußerten Verdachts ergeben.« Eine Auswertung aller gespeicherten Datenbestände, so ergänzt eine Pressemitteilung des Gerichts, hätten den Vorwurf des Erotik-Seiten-Aufrufs entkräftet.

Jens Nacke ist bekannt für seine verbalen Attacken, hat sich mit seinem poltrigen Auftreten schon mehrmals Ordnungsrufe und Ermahnungen des Landtagspräsidiums eingehandelt: Etwa weil er Argumente rot-grüner Abgeordneter als »Sauerei« bezeichnet oder ihnen die »Scheibenwischergeste« gezeigt hatte. Nach den versteckten Vorwürfen in der Anfrage aber sei Nacke als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU nicht mehr tragbar, unterstreicht die SPD-Fraktion. Er müsse sich bei der Justiz öffentlich für seine Entgleisungen entschuldigen oder sein Amt zur Verfügung stellen. »Wir erleben seit Monaten aggressive Angriffe auf die Unabhängigkeit und den guten Ruf der Niedersächsischen Justiz«, konstatierte jetzt die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Johanne Modder. »Das Maß ist voll«, meint auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Sozialdemokraten, Grant Hendrik Tonne.

Rot-Grün will nun ein Gespräch mit der Justiz, an dem auch FDP und Union teilnehmen. »Wenn die CDU diesem Anliegen nicht nachkommt, setzt sie ihren respektlosen Umgang mit der Dritten Gewalt in diesem Lande fort«, meint Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen.

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