Vielfalt der Profession

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Als vor wenigen Jahren in manchen Bundesländern das zweigliedrige Schulsystem eingeführt wurde, war allen klar, dass eine dreigliedrige Lehrerbildung hinfällig werden würde. Denn in der integrierten Gesamtschule (IGS), der Integrierten Sekundarschule oder der Stadtteilschule sollte individuelle Förderung groß geschrieben werden. Tatsächlich bewegte sich wenig, auch dann nicht, als Deutschland die UN-Charta einer inklusiven Bildung unterschrieb. Als diese umgesetzt werden musste, zeigten sich die Defizite in der Lehrerbildung. Konnten bis dahin die ausgebildeten Haupt- und Realschullehrer den Unterricht für die Anfangsklassen der neuen Schulen noch gewährleisten, wurde der Unterricht mit Kindern mit emotionalen und sozialen Beeinträchtigungen oftmals zu einem Problem. Als Defizit zeigte sich, dass herkömmliche Lehrer kaum für eine heterogen zusammengesetzte Schülerschaft ausgebildet waren.

Die Reformschritte sind mühsam. Anfang des Jahres legte die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres den Entwurf für eine Reform der Lehrerbildung vor, wurde dann aber vom Koalitionspartner CDU auf das Wintersemester 2015/16 vertröstet. Im Sommer machte sich in Schleswig-Holstein die damalige Bildungsministerin Waltraud Wende für einen Typ Sekundarstufenlehrer stark und stieß auf heftige Abwehr der Gymnasiallobby. Nun stehen laut kmk.de im Oktober beim nächsten Treffen der Kultusminister zum Thema Inklusion die gemeinsamen »inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung« auf der Tagesordnung. In der Diskussion steht die pädagogische Diagnostik. Schon vorab plädierte die KMK-Präsidentin und Bildungsministerin von NRW, Sylvia Löhrmann, für »verbindliche Module in der Lehrerbildung«, denn heute sei das »Kerngeschäft von Unterricht der Umgang mit heterogener, vielfältiger Schülerschaft«.

Doch die Kritik reißt nicht ab. Im Themendienst des Schulbuchverlages Klett (klett.de) wird die Erziehungswissenschaftlerin Beate Wischer mit den Worten zitiert, individuelle Lernkonzepte würden »der Funktionslogik der Schule« widersprechen. Diese sei »ein Ort systematisch angelegten Lernens in großen Gruppen« und bedürfe deshalb »Strategien zur Vereinheitlichung, Musterbildungen und Kategorisierungen«. Differenzierter Unterricht stieße wegen seiner Komplexität an seine Grenzen. Dem antwortet klett.de, dass gerade Träger des Deutschen Schulpreises aus einem multiprofessionellen Team bestünden. »Schulleitungen, die diese Vielfalt steuern, achten darauf, dass sich die Professionen durch regelmäßige Reflexionsschleifen über Ziele und Methoden miteinander verständigen, verlieren sich damit nicht in der Komplexität. Sie haben verstanden und reflektiert, dass Inklusion ein Spagat, ein Dilemma bleibt, weil der Charakter des Systems Schule eigentlich ein ausschließender ist«. Zudem spreche sich die Hochschulrektorenkonferenz für »diagnostische Kompetenzen« zukünftiger Lehrer aus, damit diese im multiprofessionellen Team »wirkungsvoll zusammenarbeiten«. Lena Tietgen

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