Es werde Licht, Blaulicht!

Den Physik-Preis erhielten drei Japaner für die Entwicklung von Leuchtdioden. Von Martin Koch

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Isamu Akasaki, Hiroshi Amano, Shuji Nakamura. So lauten die Namen der diesjährigen Nobelpreisträger für Physik. Namen, die man auf der Liste der zuvor gehandelten Favoriten vergeblich sucht. Als solche galten vielmehr zwei US-Amerikaner, zwei in den USA arbeitende Chinesen, ein Brite, ein Niederländer sowie ein Japaner, der auf dem Gebiet der Ferroelektrik forscht.

Der ging in Stockholm zwar leer aus. Dafür kamen drei seiner Landsleute zu Nobelehren, von denen aber nur zwei, Asaki und Amano, an japanischen Universitäten lehren. Der dritte Preisträger, Nakamura, ist inzwischen Staatsbürger der USA und arbeitet an der University of California in Santa Barbara.

Den Nobelpreis erhalten die drei Forscher »für die Entwicklung von blau leuchtenden Dioden (LED), die helle und energieeffiziente Lichtquellen ermöglichen«. Solche Dioden aus Halbleitern zu entwickeln, war Anfang der 1990er Jahre ein Meilenstein in der Lichttechnologie. Dioden, die rot oder grün leuchten, hatte es vorher schon gegeben; sie herzustellen, ist recht einfach. Nur leider könne man aus rotem und grünem Licht kein weißes produzieren, sagte der schwedische Nobel-Juror Claes Fransson bei der Preisvergabe. »Dazu braucht man auch blaues, und das ist das Entscheidende. Es sei denn, man ist glücklich mit rotem Licht - das kann ja für die Romantik gut sein, aber vielleicht nicht wirklich zum Lesen.«

Weiße Leuchtdioden - die eigentlich blaue mit einem gelben Leuchtstoff sind - kommen heute in sehr vielen Geräten zum Einsatz, in Signalanzeigen und Autolichtern ebenso wie in Smartphones. Denn es bedarf nur einer schwachen Stromquelle, um sie zu versorgen. Die größte Bedeutung der LEDs liegt jedoch in der Beleuchtung. »Wir brauchen 20 bis 30 Prozent unserer elektrischen Energie, um Licht zu produzieren«, so Fransson. »Deshalb steckt darin ein enormes Potenzial, Energie zu sparen.« Mittlerweile erzeugen LEDs rund 20-mal so viel Licht aus der gleichen Menge Strom wie herkömmliche Glühbirnen und viermal so viel wie Energiesparlampen. Bereits heute sprechen Physiker von der LED als der Glühbirne des 21. Jahrhunderts. So gesehen wäre die Ehrung von Akasaki, Amano und Nakamura ganz im Sinne von Alfred Nobel erfolgt, der bekanntlich größten Wert auf den praktischen Nutzen von wissenschaftlichen Entdeckungen legte.

In Deutschland gilt die Entwicklung von LEDs als bedeutender Beitrag zur Energiewende. Die hohe Effizienz der Dioden sei »ein enormer Faktor, gerade wenn wir versuchen, das Energiesystem umzubauen«, meint Wolfgang Eberhardt, Physiker und wissenschaftlicher Leiter des Magnus-Hauses der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin.

Lange schien es so, als würde man weiße LEDs frühestens im 21. Jahrhundert realisieren können. Viele Physiker hätten sich deshalb von dieser Herausforderung abgewandt, erinnert sich Akasaki. »Aber ich habe nicht daran gedacht aufzugeben, ich habe nur das getan, was ich wollte.« Mit viel Geschick und großer Hartnäckigkeit gelang es ihm und den beiden anderen Preisträgern, die Grundlagen für die Herstellung der begehrten Leuchtdioden zu legen.

LEDs bestehen aus mindestens zwei Schichten von halbleitenden Materialien, durch die negativ geladene Elektronen bzw. positive Ladungsträger (Löcher) fließen, sobald eine Spannung angelegt wird. Treffen beide aufeinander, zerstrahlen sie und es entsteht Licht. Dessen Farbe wiederum hängt vom Material des Halbleiters ab. Um wie gewünscht blaues Licht zu erhalten, verwendeten die Forscher Galliumnitrid-Kristalle. Diese Entscheidung war insofern wagemutig, als man andernorts lange vergeblich versucht hatte, solche Kristalle in der nötigen Qualität zu züchten.

1986 schafften Akasaki und sein Doktorand Amano den Durchbruch: In einem als Epitaxie bezeichneten Verfahrene dampften sie Galliumnitrid auf ein Saphir-Substrat und erhielten so hochreine Kristalle. Die ersten weißen LEDs auf dem Markt hatten folglich einen Hauch Edelstein in sich, bevor es der Industrie gelang, die Saphir-Basis zu entfernen.

Das zweite Problem, vor dem die beiden Forscher standen, war die sogenannte p-Dotierung. Das heißt, sie behandelten den Kristall mit Fremdatomen, um positive Ladungsträger zu erhalten, was aber zunächst nicht zu gelingen schien. Da kam ihnen der Zufall zu Hilfe: Während sie die Qualität des Galliumnitrids mit dem Elektronenmikroskop untersuchten, wurde durch den Elektronenbeschuss Wasserstoff aus dem Kristall herausgelöst und so die passende p-Dotierung erreicht, wie Henning Riechert vom Berliner Paul-Drude-Institut erklärt, der bei Siemens das erste entsprechende LED-Projekt in Deutschland geleitet hat. Nakamura, den Riechert als »genialen Einzelgänger« beschreibt, verbesserte die neue LED-Technik und sorgte letztlich für deren großtechnische Realisierung. Nach seinem Wechsel in die USA geriet er in einen Rechtsstreit mit seinem ehemaligen japanischen Arbeitgeber Nichia, der ihm einst 200 Dollar für die Galliumnitrid-LED gezahlt hatte. Und er gewann. Nakamura kassierte acht Millionen Dollar von Nichia, die höchste je erstrittene Patentprämie in Japan.

Am 10. Dezember werden die drei japanischen Physiker in Stockholm den Nobelpreis in Empfang nehmen. Einen besseren Termin dafür hätte man kaum finden können. Denn die Vereinten Nationen haben das Jahr 2015 zum »Internationalen Jahr des Lichts« ausgerufen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal