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Vajpayee schoss ein Eigentor

Die Indische Volkspartei (BJP) wird mit ihrer Oppositionsrolle nicht fertig

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Indiens Opposition hat eine Breitseite gegen den kommunistischen Parlamentspräsidenten Somnath Chatterjee abgefeuert und damit ihre eigene Konfusion offenbart.
Somnath Chatterjee, einer der erfahrensten Parlamentarier Indiens, glaubte am Dienstag seinen Augen nicht mehr trauen zu können. Er hatte einen scharf formulierten Brief des ehemaligen Premierministers Atal Bihari Vaj-payee in den Händen. Darin wurde ihm Parteilichkeit bei der Führung der Amtsgeschäfte vorgeworfen. Die gesamte Opposition sei enttäuscht, hieß es weiter, denn der Speaker, wie der Parlamentschef hier heißt, zeige ihr gegenüber weniger Vertrauen als gegenüber den Parteien der regierenden Vereinten Progressiven Allianz. Chatterjee war so verärgert über diese Beschuldigungen, dass er sein Amt niederlegen wollte. Zumal der Sprecher von Vajpayees Indischer Volkspartei (BJP), Vijay Kumar Malhotra, noch einen Schritt weiter ging und ihn beschuldigte, die Geschäfte des Parlaments »wie ein Bulldozer« durchzuziehen. Wahr ist, dass dem disziplinierten langjährigen Führungsmitglied der KPI (Marxistisch) Krawalle, Störungen, Unterbrechungen und Boykotte der Parlamentssitzungen zuwider sind. Im Interesse der Wähler möchte Chatterjee möglichst viele der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme konstruktiv und effektiv debattiert sehen. Er gehört zu den wenigen traditionellen Politikern, die angesichts der häufigen Verletzungen der Würde des Hohen Hauses schockiert sind. Die Linken, die die Regierungskoalition von »außen unterstützen« und durchaus nicht mit jeder ihrer Entscheidungen einverstanden sind, verteidigten den Parlamentspräsidenten. Ebenso tat das die Kongresspartei. Sie wiesen die »beleidigenden Bemerkungen« zurück, die nur Ausdruck dessen seien, dass es der Opposition an demokratischem Verständnis und am Willen zur Kooperation mangele. Den Linken gelang es, Chatterjee von seiner Rücktrittsabsicht abzubringen. Die BJP, die ihre antikommunistische Grundhaltung gern zur Schau trägt, und ihre Verbündeten hatten Chatterjee 2004 zwar mitgewählt, aber jede seiner Handlungen misstrauisch verfolgt. Bislang konnten sie ihm nicht vorwerfen, dass er seine linken Gesinnungsgenossen - immerhin rund 60 Abgeordnete - bevorteile. Dennoch unterstellten sie ihm immer wieder, seine angeblichen Sympathien für die Vereinte Progressive Allianz würden seine Amtsführung beeinflussen. Das Vorgehen der BJP widerspiegelt vor allem die Unzufriedenheit mit der Oppositionsrolle. Seit mehr als zwei Jahren müht sich die hindu-nationalistische Partei, die Wähler, die sie 2004 abgewählt hatten, durch Kampagnen zu beeindrucken. Doch alle Attacken - von den Propagandatouren ihres Spitzenmannes Lal Krishna Advani und ihres Generalsekretärs Rajnath Singh bis zur Offensive gegen die Vorsitzende der Kongresspartei, Sonia Gandhi. Die von der BJP geführte Allianz kann der Regierungskoalition nicht das Wasser reichen. So sah sie im Frühjahr bei Regionalwahlen in vier Unionsstaaten keinen Stich. Ihre Konfusion drückt sich auch darin aus, dass sie den Atomdeal mit den USA zu ihrer Amtszeit einfädelte, jetzt aber dagegen opponiert. In diesem Licht ist auch der Schuss auf Somnath Chatterjee zu sehen. Er wurde zum Eigentor, denn die Linken und die Vereinte Progressive Allianz rückten enger zusammen.
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