Rache am Rächer der Arbeitslosen

Streitbarer Hartz-IV-Anwalt wegen sittenwidriger Löhne vom Jobcenter vor Gericht gebracht

Mit Tausenden Klagen überschüttete Rechtsanwalt Thomas Lange das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz. Das verklagte ihn seinerseits wegen sittenwidriger Löhne.

Die Kanzlei von Rechtsanwalt Thomas Lange muss zahlen. Zwei seiner Mitarbeiter hatte er mit nur rund 1,60 Euro die Stunde entlohnt. Die beiden bezogen ergänzend Hartz IV und das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz (OSL) verlangt nun von der Kanzlei, die Summe erstattet zu bekommen. Wegen Zahlung sittenwidriger Löhne fand zunächst ein Prozess am Arbeitsgericht Cottbus statt und nun am 7. November die Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.

Die zweite Instanz habe den Anspruch auf Erstattung bestätigt, teilte das Jobcenter am Montag mit. »Zum einen ist ein solches Verhalten von Arbeitgebern gesellschaftspolitisch durchaus als verwerflich anzusehen«, sagte der stellvertretenden Geschäftsführer Hans-Jörg Milinski, »zum anderen kann es nicht sein, dass sich die Arbeitgeber zu Lasten des Steuerzahlers bereichern.«

Damit ist diese Geschichte jedoch nicht hinreichend erzählt. Rechtsanwalt Lange hat sich mit seiner Kanzlei in Großräschen und einer Filiale in Lübbenau den Ruf eines Robin Hood der Arbeitslosen erworben, der Jobcentern in Südbrandenburg im großen Stil Geld abjage und es an die Langzeitarbeitslosen verteile. Der Vergleich hinkt natürlich und Lange sieht sich auch nicht als der Rächer vom Sherwood, sondern weiterhin als Rechtsanwalt. Tatsache ist jedoch: Er hatte im Jahr 2012 quasi im Alleingang dafür gesorgt, dass die Zahl der eingehenden Fälle am Sozialgericht Cottbus von 7700 auf 9300 gestiegen war, während die Fallzahlen anderswo sanken.

Gegen ihn liefen Verfahren wegen angeblicher Urkundenfälschung und übler Nachrede, und weil er Honorar verlangt haben soll, dass ihm nicht zugestanden habe. Darin sah er Versuche, ihn mundtot zu machen. Die ihn wegen seines Engagements verehren, halten auch die Klage des Jobcenters wegen sittenwidriger Löhne nur für eine Retourkutsche. Das Jobcenter hat sich umgedreht in der Vergangenheit beklagt, der Anwalt betreibe eine »aggressive Werbung«, bei der die Arbeit im Jobcenter diffamiert werde.

Thomas Langes Fehde mit dem Jobcenter ist heftig. Er wirft ihm vor, dass 80 Prozent aller Bescheide falsch seien und fordert die Betroffenen auf, sich mit seiner Hilfe zu wehren. Aktuell warnt die Kanzlei vor dem Risiko, dass eingereichte Unterlagen im Jobcenter einfach abhanden kommen. Von einer ordnungsgemäßen und vollständigen Aktenführung dort könne nicht mehr ausgegangen werden, wird unter Berufung auf ein Gerichtsurteil vermerkt. Der Kommentar: »Bleibt noch zu hoffen, dass in Zukunft auch die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte mal die Augenbinde abnehmen, um die wahren Kriminellen zu erkennen.«

Anwalt Lange hat ironisch angekündigt, er werde die Löhne seiner Stammbelegschaft erhöhen, »sobald das Sozialgericht Cottbus die Vergütung für die von mir gegen das Jobcenter OSL geführten Klageverfahren von derzeit 57,12 Euro auf ein angemessenes Maß erhöht und die Landesjustizkasse endlich mal die offene Vergütung aus dem Jahr 2011 und 2012 überwiesen hat«. Das Jobcenter glaube, ihm Dumpinglöhne vorwerfen zu können, zwinge aber zugleich zahllose Hart-IV-Empfänger zu Ein-Euro-Jobs.

»Ich habe mir im Fall der Frau L. und des Herrn M. nichts vorzuwerfen und zwar weder juristisch, noch moralisch«, beteuert Lange. »Beide bezogen schon Hartz-IV-Leistungen, als sie zu mir kamen und mich ausdrücklich darum baten, nach einem Pflichtpraktikum weiter auf 100-Euro-Basis bei mir arbeiten zu dürfen.« Er sei als Anwalt auf Mitarbeiter angewiesen, »die ihren Job verstehen und ordnungsgemäß ausgebildet sind«. Dies sei seine Stammbelegschaft, zu der Frau L und Herr M. nicht gehören, da sie über »keinerlei adäquate Berufsausbildung« verfügten und nur mit Hilfsarbeiten betraut werden konnten. »Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass ein Anwalt extra Beschäftigungsmöglichkeiten schafft um zwei Hartz-IV-Empfängern ein Nebeneinkommen zu ermöglichen«, erklärt Lange. »Genauso ungewöhnlich ist es aber wohl auch, dass sich bei dem derzeitigen Vergütungssystem für sozialgerichtliche Verfahren überhaupt noch ein Anwalt bereit erklärt, für die Schwächsten in der Gesellschaft einzustehen.«

Unterdessen verweist das Jobcenter OSL darauf, man sei mehrfach mit Erfolg gegen Lohndumping vorgegangen. Die Fälle seien teils außergerichtlich oder vor Gericht mit einem Vergleich abgeschlossen worden. Ziel sei nicht der Rechtsstreit. Vielmehr solle bei den Arbeitgebern das Bewusstsein für eine angemessene Bezahlung geschärft werden.

Auch andere Jobcenter und Arbeitsagenturen gingen gegen Lohndumping vor. So klagte das Jobcenter Uckermark 2013 erfolgreich gegen einen Pizza-Lieferservice, der Stundenlöhne zwischen 1,59 Euro und 1,65 Euro zahlte.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal