Ukraine-Krise: Steinmeier trifft auch Putin

Außenminister überraschend in den Kreml eingeladen - 75 minütiges Gespräch / Lawrow: Sind bereit, Minsk-Prozess »ohne Vorbedingungen« fortzusetzen

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Berlin. Trotz anhaltend schwerer Differenzen im Ukraine-Konflikt bemühen sich Deutschland und Russland um eine vorsichtige Wiederannäherung. Nach einem 75-minütigen Treffen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit Kremlchef Wladimir Putin hieß es am Dienstagabend aus deutschen Delegationskreisen, die Unterredung sei »ernsthaft und offen« gewesen. Der Meinungsaustausch habe sich um »Wege aus der Ukraine-Krise, die neue Perspektiven der Kooperation eröffnen könnten«, gedreht. Konkrete Fortschritte wurden nicht bekannt.

Putin hatte Steinmeier überraschend in den Kreml geladen. Zuletzt sahen sich die beiden im Februar, kurz vor der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland. Steinmeier verlängerte seinen Besuch für die Unterredung und trat mit Verzögerung am Abend die Heimreise nach Berlin an. Putin hatte erst am Wochenende mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des G20-Gipfels in Australien vier Stunden zusammengesessen.

Zuvor hatten Steinmeier und sein russischer Kollege Sergej Lawrow aus der unterschiedlichen Bewertung der Krise im Osten der Ukraine keinen Hehl gemacht. Steinmeier sprach nach dem Gespräch mit Lawrow von einer »wirklich ernsthaften Krise für die europäische Friedensordnung«. Zuvor schon hatte er nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vor einer »militärischen Großkonfrontation« gewarnt.

Steinmeier forderte alle Konfliktparteien auf, die im September geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarungen von Minsk endlich einzuhalten. Als Beispiel nannte er den gegenseitigen Austausch von Gefangenen, die Überwachung von Grenzen und eine Demilitarisierung. Ziel ist unter anderem, die Gespräche einer Kontaktgruppe unter dem Dach der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wiederzubeleben. Zugleich mahnte er: »Es ist aber auch Zeit, jenseits von Ukraine zu denken. Wir haben mit ein paar anderen Bedrohungen weltweit fertig zu werden.«

Russland ist nach Lawrows Worten bereit, den sogenannten Minsk-Prozess »ohne Vorbedingungen« fortzusetzen. Zugleich beschuldigte er jedoch die Führung in Kiew, die Vereinbarungen zu torpedieren. Zum deutsch-russischen Verhältnis meinte der Minister: »Trotz aller Unterschiede, wie wir die Lage in der Ukraine beurteilen, ist wichtig, dass der Dialog zwischen uns nicht aufhört.« Auf die Rede von Merkel, die Russland am Wochenende hart kritisiert hatte, ging er nicht näher ein.

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk rief Russland zu direkten Verhandlungen auf neutralem Gebiet auf. »Alles hängt vom russischen Präsidenten und seinem Umfeld ab«, sagte Jazenjuk der Agentur Interfax zufolge. Moskau wies das zurück: Die ukrainische Führung müsse nicht mit Russland sprechen, sondern mit den Aufständischen in der Ostukraine.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte in Brüssel, die Führung in Moskau rüste ihr Militär an der Grenze zur Ukraine massiv auf. »Wir sprechen von Truppen, wir sprechen über Ausrüstung, und wir sprechen über Artillerie«, sagte er. Er forderte einen Rückzug der russischen Truppen. Moskau weist die Vorwürfe zurück. dpa/nd

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