Das Leben ein Tanz
Der Film »Tanja - Life in Movement« erinnert an die tragisch verunglückte Choreografin Tanja Liedtke
Mit drei wünscht sie sich, eine Blume zu sein. Als sie im »Nussknacker« den Blumenwalzer sieht, weiß sie, es geht, und zwingt die Mutter, sie zum Tanz zu bringen. Diese Episode erzählt Tanja Liedtke amüsiert am Anfang des Films. Wir haben dich heimgebracht, schreibt ein Tänzer am Ende auf die Kulisse und setzt darunter: Getan. Da war Tanja Liedtke schon zwei Jahre tot, 2007, mit knapp 30, von einem Müllwagen überfahren. Ihr neues Amt als Direktorin der renommierten, 1971 gegründeten Sydney Dance Company hatte sie nicht mehr antreten können.
Die kurze Spanne dieses Lebens, leidenschaftlich, tatendurstig, lustig, voller Verantwortung und Selbstzweifel, fängt ein post mortem gedrehter Film ein, mit dem Solon Ulbrich als künstlerischer Wegbegleiter und Lebenspartner der Tänzerin und Choreografin ein Denkmal setzt, ohne pathetisch zu werden. Vielmehr forscht er so energetisch, wie Tanja arbeitete und wirkte, den Spuren nach, die ihr Leben in den Stücken hinterließ. Mit der Kamera begleitet der schon im Kino erfolgreiche, nun auf DVD edierte Streifen Vorbereitung und Durchführung einer Tournee mit Liedtkes Stücken. Und zeigt auch, wie kompliziert Proben sind, wenn das kreative Zentrum plötzlich fehlt.
Hineingeschnitten in die Bühnensequenzen der Tour zwischen Australien und Europa sind Videos aus dem Privatarchiv. Von der lebenshungrigen Tanzstudentin, die auf engstem Raum mit Kommilitoninnen leben muss, diese Erfahrung später in eine Choreografie einbringt und sie durch psychiatrische Recherchen vertieft. Von den Proben mit der eigenen Compagnie, der sie, wie sich selbst, Extremes abverlangt: Alles Erlebte müsse man in die Arbeit stecken. Und von den Stationen der Karriere als Tänzerin.
In Stuttgart 1977 geboren, hat sie Tanzunterricht in Spanien, geht mit elf Jahren nach London, wo sie als spanisch redende Deutsche Außenseiterin bleibt und an der Rambert School ihren Abschluss macht, nicht zur Spitze gehört, eine Kämpfernatur. Langbeinig und tanzbesessen geht sie ihren Weg: Australian Dance Theatre in Adelaide, dann DV8, Lloyd Newsons Londoner Weltklasse-Ensemble, sind ihre Wegmarken als Solistin, mit europaweiten Tourneen, auf denen sie zum Star avanciert, ehe sie eine eigene Gruppe gründet, Einladungen für Choreografien auf vier Kontinenten erhält. Als »kleines Wunder«, »Blitz aus heiterem Himmel« lobt sie die Presse. Mit den Preisen wachsen Erwartungsdruck und Ängste: Ich habe Hoffnung, stammelt sie unter einer Maske hervor, bekennt, es sei schwer, jeden Morgen Vertrauen zu sich zu finden.
Voll nervöser Energie bewältigt Tanja Liedtke die letzten Auftritte mit der Gruppe, deren Lichtgestalt und Leuchtturm sie ist, bereits die Berufung nach Sydney in der Tasche. Um Werktreue bemühen sich »ihre« Tänzer auf der Gedenktour, sehen keine Entwicklung mehr für sich. Liedtkes Erbe zwischen zeitgenössischem Tanz und Tanztheater bewegt auch sieben Jahre nach dem tragischen Tod.
»Tanja - Life in Movement«, 80 Minuten plus Bonusmaterial, für 19,90 Euro über Karin Kaper Film Berlin, Telefon (030) 61 50 77 22, www.karinkaper.com
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