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Schlechte Aussichten für russische Offerte

Putin schlägt neue Verhandlungsrunde für Syrien vor / USA kritisieren Bombardierung von IS-»Hauptstadt«

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Russland will die Friedensgespräche der syrischen Regierung mit Regierungsgegnern wiederbeleben. Die Aussichten dafür stehen jedoch schlecht.

Hat die am Mittwoch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gegenüber seinem Gast, dem syrischen Außenminister Walid al-Muallim, verkündete Syrien-Initiative eine Chance? Die Versuche, den syrischen Krieg mit diplomatischen Mitteln zu beenden, waren fast verebbt in den zurückliegenden neun Monaten. Mitte Februar hatte es in Genf die vorläufig letzte Gesprächsrunde gegeben. Sie war nicht nur ohne die kleinste Einigung geblieben. Der im UNO-Auftrag handelnde Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi aus Algerien hatte seinerzeit auch kein Datum zu nennen vermocht, wann es denn weitergehen könne.

Im Juli ist Brahimi von dem italienisch-schwedischen Diplomaten Staffan de Mistura abgelöst worden. Dieser sucht aber wohl mangels Erfolgsaussichten für direkte Gespräche nach anderen Wegen, die Fronten aufzuweichen oder wenigstens die Kampfhandlungen zu minimieren, um das Töten zu beenden und Millionen Menschen mit den lebensnotwendigsten Dingen versorgen zu können.

De Misturas Idee, umkämpfte Städte zu befrieden, indem man den Rebellen freien Abzug mit allen ihren Waffen und Ausrüstungen gewährt, hat aber bis jetzt nur in Homs geklappt; und das wohl vor allem deshalb, weil die Freischärler, vor allem von der Nusra-Front, keine so guten Aussichten mehr hatten, den im Wortsinne ruinösen Häuserkampf für sich zu entscheiden. Nichtsdestoweniger wurden sie dafür von radikalen Gruppen der Feigheit geziehen - aus dem sicheren Exil in der Türkei. Für das mit 1,5 Millionen Einwohnern dreimal so große Aleppo lehnten die Regierungsgegner eine analoge Regelung jedenfalls strikt ab, sind sie doch hier kaum aus der Stadt zu vertreiben, ohne ganze Viertel in Schutt und Asche zu legen.

Die Reaktionen gaben damals ebenfalls nicht gerade Anlass zur Hoffnung. Präsident Baschar al-Assad ließ sich für die militärischen Erfolge seiner Armee feiern. Die andere Seite begriff das Abkommen für Homs lediglich als Schlappe und forderte noch energischer neue Waffen vom Westen, vor allem schwere.

Dann aber gab es andere Ereignisse auf dem syrischen Kriegsschauplatz, die alles andere, vor allem medial, in den Hintergrund drängten. Seit dem Sommer kennt die ganze Welt eine 50 000-Einwohner-Stadt namens Kobane an der türkisch-syrischen Grenze und ihren Abwehrkampf gegen die anrennenden Milizen des »Islamischen Staates« (IS). Obwohl sich an den Frontlinien vom Juli nichts Grundsätzliches geändert hat, der Krieg auch an dieser Stelle nicht entschieden ist, gibt es derzeit kaum Nachrichten über Kobane. Selten wird so offensichtlich, wie sehr heute Medien mitbestimmen, nicht nur in welche Richtung sich die öffentliche Meinung über einen Krieg entwickelt, sondern ob dieser überhaupt wahrgenommen wird.

So bleiben auch einige seiner paradoxen Facetten weitgehend unkommentiert. Während die USA der ganzen Welt den Kampf gegen IS predigen und ihre eigenen Verdienste daran gar nicht genug herausstreichen können, haben sie am Donnerstag die syrische Regierung aufs Heftigste kritisiert - für ihr Bombardement der nordsyrischen Stadt Al-Rakka, »Hauptstadt« des IS auf syrischem Gebiet. Vermutlich haben sie recht darin, dass dabei Wohngebiete zerstört und Zivilisten getötet wurden. Allerdings tun sie das selbst, ohne dass das von neutralen Gremien kontrolliert werden könnte, in weit stärkerem Maße seit Monaten selbst; in Syrien gegen den erklärten Willen der Regierung, dazu in einem Dutzend anderer Mitteloststaaten.

Der Vorgang dürfte auch ein Beleg dafür sein, dass die USA derzeit nicht gewillt sind, an der Suche nach einer koexistenziellen Lösung für Syrien mitzuwirken, schon gar nicht mit Russland.

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