Schweres Geschoss vom Buchladen

Dorf im Südwesten streitet um Gemeinschaftsschule

  • Holger Reile, Konstanz
  • Lesedauer: 3 Min.

Mitte November hat der Gemeinderat in Rielasingen-Worblingen (Baden-Württemberg) mit klarer Mehrheit beschlossen, an der geplanten Gemeinschaftsschule (GMS) festzuhalten. Ein Bürgerentscheid gegen das neue Schulmodell an der Ten-Brink-Schule scheiterte am Quorum. Doch nun ist der Dorffriede in der kleinen Gemeinde nahe der Kreisstadt Singen endgültig dahin: Die unterlegenen Gegner der GMS gehen auf die Barrikaden und erheben schwere Vorwürfe.

In einem Offenen Brief, der vergangene Woche an alle Haushalte des Ortes verteilt wurde, behaupten Klaudia und Tankred Schaer, an den Pranger gestellt zu werden: Sie würden, »nur weil wir uns für eine Bürgerinitiative eingesetzt haben, massiv verleumdet und geschädigt«. Die Schaers betreiben seit rund zehn Jahren die »Bücherstube Rielasingen« und waren mit federführend bei der Gruppierung, die sich gegen eine Gemeinschaftsschule engagierte und den gescheiterten Bürgerentscheid auf den Weg brachte.

»Was jetzt passiert«, klagen die Schaers, »hat mit demokratischen Umgangsformen nichts mehr zu tun.« Schon vor dem Bürgerentscheid am 16. November seien »Papiere mit rufschädigendem Inhalt« aufgetaucht. Man müsse »vor den Schaers warnen, sie seien in einer Polit- oder Psychosekte aktiv gewesen«, habe man darin lesen können. Nach Meinung der Schaers wiesen damals »zahlreiche Anzeichen« darauf hin, »dass die diffamierenden Artikel über die Schulleitung der Ten-Brink-Schule in Umlauf gebracht werden«.

Aber auch Ralf Baumert, Bürgermeister von Rielasingen-Worblingen, ist ins Schussfeld der aufgebrachten Schaers geraten. Auf dessen Facebook-Seite sei ein Hinweis auf einen Blog erschienen, auf dem »zum Teil 20 Jahre alte Artikel einer politisch motivierten Schmutzkampagne gegen den Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis VPM« nachgelesen werden konnten.

Der Hinweis auf den VPM bringt die Beschwerdeführer gewaltig in Rage, denn sie waren lange Jahre selbst aktiv beim VPM, wie sie in ihrem Offenen Brief erläutern. Noch immer sind sie zutiefst davon überzeugt, dass es vor allem linksradikale Kräfte waren, die den VPM unter Beschuß nahmen.

Auch andere GMS-Gegner in Rielasingen-Worblingen sind zugewanderte ehemalige VPM-Aktivisten. Der VPM - auch als »Akademikersekte« oder »Psychosekte« bezeichnet - löste sich 2002 offiziell auf. Nach zahlreichen Prozessen, die die Gesinnungsgemeinschaft meist verloren hatte, war das Geld knapp geworden, auch wollte man endlich aus den überregionalen Negativschlagzeilen kommen, die den VPM jahrelang begleiteten. Seine ehemaligen Mitglieder ließen sich nach Empfehlung ihrer kürzlich verstorbenen »fachlichen Leiterin« Annemarie Buchholz-Kaiser zum Teil im Südwesten nieder.

Das Buchhändlerpaar behauptet, ihre Mitwirkung bei den GMS-Gegnern beschere ihnen sogar geschäftliche Nachteile. Denn der Bürgermeister beabsichtige, ihrer Bücherstube »das Schulbuchgeschäft zu entziehen« und auch den »Vorverkauf für Gemeindeveranstaltungen«. Zudem würden Gegner der GMS »am Arbeitsplatz aufgesucht und unter Druck gesetzt«.

Der Gemeindefrieden ist in der Tat nachhaltig gestört. Ein Pfarrer soll geklagt haben: »Wie konnte soviel Hass in unserer Gemeinde entstehen, der zum Teil Familien entzweit?« Nach Ansicht von vielen Einheimischen haben die alten VPM-Kader daran den größten Anteil. Aber das werden sie, wie immer, mit Empörung zurückweisen.

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