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Das Klimaproblem ist lösbar

Meeresforscher Mojib Latif setzt auf die Solarenergie und eine Begrenzung des CO2-Zertifikatehandels

  • Lesedauer: 4 Min.
Mojib Latif ist Leiter des Forschungsbereichs Ozeanzirkulation und Klimadynamik am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Seine letzte Veröffentlichung heißt »Das Ende der Ozeane: Warum wir ohne die Meere nicht überleben werden«. Mit dem 60-Jährigen sprach Nick Reimer über Diplomatengipfel, Solarenergie und die deutsche Vorreiterrolle.

nd: Zum 20. Mal gipfeln derzeit Klimadiplomaten. Sind Konferenzen wie in Lima der geeignete Rahmen, um der Erderwärmung zu begegnen?
Latif: Bisher jedenfalls nicht. Seit Beginn der Konferenzen Anfang der 90er ist der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid um über 60 Prozent gestiegen. Daran wird auch die 20. Konferenz in Lima nichts ändern. Wenn die Menschheit das Problem lösen will, dann brauchen wir dafür andere Mittel.

Zum Beispiel?
Die Alternative wäre, dass man solche Verhandlungen gar nicht braucht, weil alle Länder einsehen, dass sie im gleichen Boot sitzen. Gäbe es diese Einsicht, würden die Länder von sich aus handeln. Die Wissenschaft hat das Problem und seine Folgen seit Ende der 1980er Jahre klar beschrieben. Die erste wissenschaftliche Arbeit hierzu ist vor über 100 Jahren erschienen.

In den nächsten Jahren müssen wir die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren. Kann das der Emissionshandel leisten?
Wir müssen den europäischen Zertifikatehandel wieder auf Vordermann bringen. Zertifikate kosten derzeit fast nichts, deshalb ist die Kohle auf dem Vormarsch, die Konzerne können die Verschmutzungsrechte aus der Portokasse bezahlen. Es gibt zu viele Zertifikate, etliche müssen vom Markt genommen werden, damit der Emissionshandel für Europa wieder funktioniert. Dann wird man die Dynamik - weg von den fossilen, hin zu den erneuerbaren Energien - wieder sehen.

Ukraine, Syrien oder der IS: Die aktuellen Konflikte belegen, dass die Spezies Mensch mit Einsicht nicht übermäßig ausgestattet ist. Was wäre jenseits Ihres Wunschdenkens eine realistische Alternative zur Klimadiplomatie?
Wir müssen den Ball ins Rollen bringen. Wie immer sind Vorreiter notwendig, die zeigen, dass eine Ökonomie ohne fossile Brennstoffe funktionieren kann. Deshalb ist die Energiewende in Deutschland so enorm wichtig. Wenn andere Länder sehen, dass es möglich ist, Wohlstand mit erneuerbaren Energien zu generieren, dann werden sie folgen. Wenn der Beweis erbracht ist, wird das eine Lawine lostreten, die viel effektiver Klimaschutz organisiert als die Verhandlungen.

Das Klimaproblem ist nicht fühlbar, die Folgen des Klimawandels werden heutige Akteure nicht erleben. Wie kann man damit umgehen?
Durch Aufklärung. Ich glaube, wenn die Menschen wenigstens wissen würden, welch verheerende Folgen unser fossiler Lebensstil mit sich bringt, dann würden sie nachdenklich. Zur Lösung sind Verzichtsdebatten allerdings nicht hilfreich. Wir brauchen positive Beispiele: Wird den Menschen aufgezeigt, wie sie von der Energiewende profitieren, dann gibt es kein Halten mehr.

Wie kann man das zeigen?
Werden unsere Kinder Energie noch bezahlen können? Deutschland importiert jährlich für 100 Milliarden Euro fossile Rohstoffe. Wir sind abhängig von Putin und den Ölscheichs. Es ist klar, dass die Preise steigen werden! Wenn wir aber heute die Weichen stellen, um eigene Rohstoffe - also Wind, Sonne oder Biomasse - zu nutzen, dann werden unsere Kinder von der Preisspirale verschont.

Zurück zu den Konferenzen: Wie wichtig ist für den Klimaschutz ein neuer Weltklimavertrag, wie er im kommenden Jahr in Paris ausgehandelt werden soll?
Wichtig ist das Abkommen auf jeden Fall, schon allein wegen der Symbolik. Für das sogenannte Zwei-Grad-Limit, also den Versuch die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, wird das Abkommen aber nicht einmal das Papier wert sein, auf dem es steht. Trotzdem bin ich optimistisch: Das Montreal-Abkommen zum Schutz der Ozonschicht aus dem Jahr 1987 war löchrig wie ein Schweizer Käse. Niemals hätte das die Ozonschicht gerettet. Aber dann gab es eben viele Nachverhandlungen - solange, bis das Abkommen solide war. Darauf baue ich, auch wenn der Vergleich hinkt: Das Klimaproblem ist ungleich komplexer.

Was, wenn Paris scheitert?
Dann ist die Weltgemeinschaft gescheitert. Notwendig wird dann eine andere Form von globaler Governance. Momentan schafft es die Weltgemeinschaft kaum, irgendwelche Probleme mit ihren Institutionen zu lösen. Die Menschheit muss neue Instrumentarien entwickeln, wie sie die großen Herausforderungen der Zukunft lösen kann. Ich glaube aber, dass das Klimaproblem unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg von Paris lösbar ist: Die Solartechnologie ist demnächst so kostengünstig, dass sich ihr weltweiter Siegeszug gar nicht mehr aufhalten lassen kann.

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