Mit »Pappnasen« durch Polizeiketten

Köln: Bündnis protestiert gegen Konferenz der Innenminister / Beamte nehmen drei Demonstranten fest

  • Anja Krüger, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Ab Donnerstag treffen sich die Innenminister in der Domstadt. Ein Thema wird dort die Flüchtlingspolitik sein. Das treibt Kritiker der Veranstaltung auf die Straße.

Karl Ludwig Ostermann nimmt sich ein Plakat von dem Stapel, der auf dem Boden liegt. »Grenzen überwinden«, steht darauf. Der Rentner war früher Metallarbeiter. Er ist der Auffassung, dass sich die deutsche Flüchtlingspolitik gründlich ändern muss. Dazu gehört für ihn die Aufhebung des Verbots der kurdischen Arbeiterpartei PKK. »Was die Kurden in Nordsyrien machen, hat Vorbildcharakter«, erklärt der ehemalige Betriebsrat.

Ostermann ist einer von rund 3000 Demonstranten, die am Samstag in Köln gegen die Herbsttagung der Innenministerkonferenz demonstrieren. Am 11. und 12. Dezember werden die Innenminister unter anderem über Flüchtlingspolitik beraten. Aus diesem Anlass hat ein Bündnis antirassistischer, linker und kurdischer Gruppen zu der Demonstration aufgerufen. Sie fordern eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik und die Aufhebung des PKK-Verbots. »Die Asylpolitik der EU macht Europas Außengrenzen zu Festungen«, sagt Bündnissprecherin Anna Kiefer. »Die Innenminister der BRD treiben diese Politik maßgeblich voran.« Sie und ihre Mitstreiter fürchten, dass die Minister die Asyl- und Aufenthaltsgesetze weiter verschärfen werden und mehr Menschen abschieben lassen.

Die Protestveranstaltung beginnt verhalten. Nur knapp 1000 Teilnehmer versammeln sich anfangs vor dem Gebäude der Kölner Bank zwischen Friesen- und Rudolfplatz. Lange sieht es so aus, als müssten die Veranstalter die Transparente mit Aufschriften wie »Refugees welcome« oder »Flucht ist kein Verbrechen« wieder einsammeln. Doch nach und nach füllt sich der Platz. Schließlich findet jedes Transparent einen Träger. Eine bunte Truppe findet sich zusammen: Mitglieder der LINKEN, der Grünen und von Menschenrechtsinitiativen, unabhängige Linke und Autonome, türkische K-Gruppen und PKK-Anhänger, dazwischen die Aktivisten der Politspaßgruppe »Pappnasen«.

Die Demo geht mit erheblicher Verzögerung los. Die Polizei hat einen Bus in der Höhe von Siegburg angehalten, in dem 47 Leute aus Frankfurt am Main anreisen. »Wir warten, wir sind solidarisch«, sagt ein Veranstalter. Nachdem die Polizei den Bus ergebnislos durchsucht und die Personalien überprüft hat, treffen die Demonstranten doch noch ein. »Das war eine ganz normale Personenkontrolle«, erklärt eine Polizeisprecherin. Auch andere Reisebusse seien kontrolliert worden.

Am Mittwochabend hatte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers (SPD) den Protestzug durch die Innenstadt verboten. Es lägen Erkenntnisse vor, dass gewaltorientierte Gruppen aus der militanten autonomen Szene aus Hessen anreisen würden, hieß es. Doch das Verwaltungsgericht Köln hatte das Verbot am Freitagnachmittag kassiert. Die Polizei habe »keine ausreichenden Fakten für eine von der Polizei nicht zu beherrschende Gefährdung« vorlegen können, begründeten die Richter ihre Entscheidung.

Das Polizeiaufgebot ist enorm. »So viel Polizei habe ich in zehn Jahren politischer Aktivität noch nie bei einer erlaubten Demonstration gesehen«, sagt die Kurdin Bakis. Die Demonstranten müssen im Polizeispalier durch die Innenstadt ziehen. Wer wie Bakis und ihre Mitstreiterin Stephanie Flugblätter an Passanten verteilen will, kommt kaum durch die Polizeiketten. Nur nach einem scharfen Wortgefecht und erst, nachdem Journalisten auf das verbale Scharmützel aufmerksam geworden sind, lässt die Polizei die beiden auf den Bürgersteig. Den erhofften Kontakt mit Passanten haben die Demonstranten an diesem Samstagmittag daher selten.

An den Eingängen der Weihnachtsmärkte stehen Polizisten Schulter an Schulter, hier können die Aktivisten keine Flugblätter los werden. Umso lauter rufen sie ihre Forderungen. »Bleiberecht überall. Kein Mensch ist illegal«, ertönt immer wieder. Die Passanten schauen sich den Zug neugierig an. Viele fotografieren die Demonstration mit dem Handy. In den lokalen Medien ist im Vorfeld massiv Stimmung gegen die Veranstaltung gemacht wurden. Der Kölner Einzelhandelsverband hatte vor dem »drohenden Chaos« gewarnt, das Boulevardblatt »Express« unter dem Titel »Diese vier wollen die Kölner City lahmlegen« ein Bild von den Veranstaltern veröffentlicht.

Der Zug durch die Innenstadt verläuft fast ohne Zwischenfälle. Nur einmal ist die Situation angespannt, als im Bankenviertel auf einem Parkhaus Bengalos gezündet werden und ein Plakat mit der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots am Gebäude aufgehängt wird. Nach Polizeiangaben kommt es zu der Unruhe, als zwei Demonstranten kontrolliert werden sollen. Die Beamten setzen Schlagstöcke ein und nehmen drei Leute fest.

Unterdessen sind die rechten »Hooligans gegen Salafisten« mit dem Versuch gescheitert, den linken Protestzug zu stören. Dutzende von ihnen hatten sich zu einer spontanen Gegendemonstration in der Nähe des Hauptbahnhofs versammelt. Die Polizei stellte diverse Messer, Quarzhandschuhe, Pfefferspray und Pyrotechnik sicher und nahm sieben Personen in Gewahrsam.

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