Pfeifkonzert vor dem Kieler Landtag

Studenten fordern mehr Geld für Hochschulen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

»Hochschullandschaft R.I.P.« - die Abkürzung, die nicht selten etwa auf Grabsteinen zu lesen ist, fand sich am Donnerstag auf einem Pappschild mitten in der Protestdemonstration von Studierenden in Kiel. Sie drückt die verzweifelte Lage an den total unterfinanzierten schleswig-holsteinischen Universitäten und Fachhochschulen aus. Am Tag der Haushaltsdebatte im Landtag zogen über 2000 Studierende und Hochschulbeschäftigte vors Landeshaus, unter ihnen auch Kiels Universitätspräsident Lutz Kipp.

Der Etat, den die Regierungsmehrheit am gleichen Tag noch beschließen wollte, sieht Ausgaben von gut 10,3 Milliarden Euro vor. Statt der ursprünglich angesetzten 98 Millionen Euro ist eine Neuverschuldung von 262 Millionen vorgesehen.

Die Wut vieler Studierender ist besonders deshalb groß, weil die Landesregierung die ab 2015 eingesparten 36 Millionen an Bafög-Mitteln - der Bund übernimmt dann die Bafög-Zahlung - nicht an die Hochschulen weitergeben will. Die Regierung von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband leitet das Geld lieber in andere Bildungskanäle. Verwiesen wird aus dem Wissenschaftsministerium darauf, dass die Koalition nach Jahren des Stillstands dem Sanierungsstau im baulichen Bereich zu Leibe rücken wolle - mit 165 Millionen Euro innerhalb der nächsten 15 Jahre.

Wissenschaftsministerin Kristin Alheit (SPD, die vor die Protestierenden trat, konnte mit der Nachricht, dass sie eine »Kommission Hochschulplanung« einberufen habe, nicht überzeugen. »Das ist erst die zweite Demo in meinem Leben«, gesteht Uni-Präsident Kipp, der wie die meisten Protestierenden in die Trillerpfeife pustet. Er verweist am Beispiel seiner Christian Albrechts Universität (CAU) auf die prekären Lernbedingungen. Die Grundfinanzierung durch das Land reicht hinten und vorne nicht. Lehrpersonal - 75 Prozent sind nur befristet angestellt - fehlt an vielen Stellen. Der Forschungsbereich kann sich dadurch nicht mehr voll entfalten, was wiederum das Einwerben von Drittmitteln nicht einfacher macht. Und das hat wieder direkte Auswirkungen auf die Stellenbesetzung.

Doch auch die bauliche Situation auf dem Kieler Campus ist eine Katastrophe. Die CAU war einmal für 14 000 Studierende ausgelegt, eingeschrieben sind derzeit 25 000. Kipp droht daher auch mit Blick auf die 2016 anrückenden doppelten Abiturjahrgänge mit »flächendeckenden Zulassungsbeschränkungen«, sollten sich die Bedingungen nicht verbessern.

Von der Landesregierung fühlt sich der Uni-Präsident im Stich gelassen. Die Deckungslücke bei den laufenden Kosten beträgt nach seinen Worten mittlerweile jährlich neun Millionen Euro. Zum alltäglichen Bild an der Kieler Uni gehören Vorlesungen mit am Boden kauernden Studierenden. Bei Seminaren und Sprachkursen, optimal eigentlich für 25 Teilnehmende gedacht, werden zum Teil 50 bis 100 gezählt. Der CAU-Asta dazu: »Lehre wird zur Massenabfertigung!« Lehrmaterial ist veraltet oder nicht ausreichend vorhanden. Nur weil Dozenten sich bereit erklären, Vorlesungen aufzuteilen, gerät der Lehrbetrieb nicht ins Stocken.

Um auf die Nöte aufmerksam zu machen, gab es bereits Mittwochabend eine Flashmob-Vorlesung in Kiels Fußgängerzone. Dabei referierte der Politologe Christian Martin vor 300 Zuhörern über die Unterfinanzierung der Universitäten im Land. Der Asta der Uni Kiel kündigt an: Die Aktionen gehen weiter! Weitere Infos unter www.uniohnegeld.de

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