Der Weg zu einer neuen Ordnung

Arbeiten am neuen Weltklimavertrag kommen nur schleppend voran

  • Nick Reimer, Lima
  • Lesedauer: 4 Min.
Die 20. UN-Klimakonferenz ist nach anderthalb Wochen mit dürftigen Beschlüssen zu Ende gegangen. Jetzt richten sich alle Blicke auf den Gipfel in Paris in einem Jahr.

Sensation in Lima: In den Morgenstunden des Sonntags fing es an zu regnen. Scheibenwischer mussten angeschaltet, Wäsche von der Leine genommen werden. Die Menschen tanzten vor Freude auf der Straße. Perus Hauptstadt liegt an einem der trockensten Orte der Welt, mit 13 Millimeter Niederschlag regnet es hier dreimal weniger als in der Sahara.

Die in Lima verhandelnden Klimadiplomaten aus 195 Staaten bekamen davon zunächst nichts mit. Eigentlich sollte die UN-Konferenz am Freitagnachmittag zu Ende gehen, doch mangels Einigung ging es immer weiter. In der zweiten Nachtsitzung dauerte es am Sonntag bis nach drei Uhr, bis die Delegierten die Klimakonferenz verlassen konnten. Beschlossen wurde nach harten, zähen Verhandlungen der »Lima Call for Climate Action« - ein Dokument, welches das Gerüst des kommenden Weltklimavertrages abbilden soll. Das wichtigste Ergebnis der Lima-Abschlusserklärung: Bis Ende März kommenden Jahres müssen die Länder der Welt dem UN-Klimasekretariat mitteilen, was sie ab 2020 für den Klimaschutz tun wollen. Um die Ziele der einzelnen Länder vergleichbar zu machen, schreibt das Dokument von Lima relativ detailliert vor, wie die Eingaben der Länder auszusehen haben. »Damit besteht eine gute Basis für die Klimakonferenz in Paris im nächsten Jahr«, sagt Jennifer Morgan von der Umweltorganisation World Resources Insitute. Das sehen andere Beobachter weit kritischer: Trotz Verlängerung konnten keine entscheidenden Schritte in Richtung des geplanten Weltklimaabkommens in Paris gegangen werden, hieß es vom WWF.

Am Samstagnachmittag stand die Lima-Konferenz sogar kurz vor dem Scheitern. An die Industriestaaten gerichtet, hatte der Delegationsleiter Malaysias gesagt: »Es gibt eine Welt da draußen, die anders als die eure ist.« Damit meinte er die Entwicklungsländer, zu denen er Malaysia dazurechnet. Doch die Realitäten haben sich verschoben: Das Pro-Kopf-Einkommen und die Emissionen der Malaysier sind heute größer als die der Rumänen. Während aber Rumänien als Industriestaat seine Treibhausgasemissionen begrenzen muss, ist Malaysia als Entwicklungsland davon befreit.

Die Industrie- und einige der ärmsten Staaten wollten daher unbedingt erreichen, dass diese Zweiteilung der Welt beim Klimaschutz aufgehoben wird. Von einer »roten Linie« sprach Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, der nach der Abreise von Ministerin Barbara Hendricks (SPD) in der Schlussphase die deutsche Regierungsdelegation leitete.

Perus Umweltminister Manuel Pulgar Vidal sah sich als Konferenzpräsident gezwungen, seinen ersten Vertragsentwurf vom Verhandlungsparkett zu nehmen und zu überarbeiten. Kurz vor Mitternacht am Samstag war das nach intensiver Parallel-Diplomatie gelungen. Jetzt heißt es im Vertragstext, die Länder hätten eine »gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung« für den Klimaschutz. Diese Formulierung wird ergänzt durch: »im Lichte unterschiedlicher nationaler Umstände«. Damit wird erstmals die Einteilung in die zwei festen Gruppen »Entwicklungs-« oder »Industrieland« aufgehoben und jedes Land individuell betrachtet. Staatssekretär Flasbarth erklärte nach Konferenzschluss sichtlich erleichtert: »Hier geht es nicht nur ums Klima. Eine neue Ordnung hat auch Auswirkungen auf andere Politikbereiche.«

Was dann wohl auch das weitreichendste Signal dieser UN-Konferenz sein wird. In der Klimarahmenkonvention hatten die Industriestaaten 1992 ihre historische Verantwortung für das Problem der Erderwärmung anerkannt, im Annex war dort festgelegt worden, wer Industriestaat ist und somit die Verpflichtung hat, etwas gegen die CO2-Emissionen zu unternehmen. Mittlerweile ist aber das »Entwicklungsland« China zum weltgrößten Produzenten von Treibhausgasen aufgestiegen, in der Liste folgt Indien an dritter, Südkorea an siebter und Saudi-Arabien an neunter Stelle. Trotzdem verweigern diese Staaten konkrete Selbstverpflichtungen - mit Verweis auf ihren Status als Entwicklungsland. Mit der Erklärung von Lima könnte das nun vorbei sein.

Allerdings ist dieses Signal etwa genau so spektakulär wie die Sensation in Lima: Das, was die Menschen hier als »Regen« bezeichnen, würde man in Deutschland noch nicht einmal Niesel nennen. Zwar tropfte es von den Dächern und die Straßen waren noch am Morgen nass. Die Klimadiplomaten konnten aber getrost ohne Regenschirm das Konferenzgebäude verlassen.

Ob auf Grundlage der Lima-Vorarbeiten nun in Paris die Erderwärmung gestoppt werden kann? »Klar ist, es wird verdammt schwer«, sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, der voraussichtlich die nächste UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 leiten wird. »Das Zwei-Grad-Ziel ist aber Beschlusslage der Staatengemeinschaft«, übte sich Fabius in Optimismus. Aktuell reichen die freiwilligen Verpflichtungen, die die Länder bislang veröffentlicht haben, nicht aus, um die Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Je nach Rechenmethode kommen die Experten auf 3 bis 4,5 Grad Temperaturanstieg im globalen Mittel bis zum Jahr 2100. Aber dazu sei Politik schließlich da: »Probleme zu lösen«, so Fabius. Schon im Februar treffen sich die Klimadiplomaten in Genf zu Beratungen auf Arbeitsebene wieder.

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