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Gegen die «Idiotisierung des Abendlandes»

12 000 Demonstranten in München hießen Flüchtlinge willkommen

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Tausende Menschen setzten am Montag Abend in München ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhetze.

Um 18 Uhr schob sich die Trambahn der Linie 19 noch durch die Menschenmenge am Münchner Max-Joseph-Platz, um 19 Uhr ging dann gar nichts mehr. 12 000 Menschen setzten ein Zeichen gegen Rechts und dem Innenstadtverkehr ein Ende. An die Pegida-Demonstrationen in Dresden gerichtet, warnte ein Transparent vor der «Idiotisierung des Abendlandes».

«Warum ich hier bin? Weil ich nicht möchte, dass wir die Fehler von damals wiederholen. Dass ohne wirkliche Bedrohung gegen eine Menschengruppe gehetzt wird», das sagt ein 35-jähriger Münchner, der als einer von Tausenden am Montag Abend auf den Platz vor das Nationaltheater gekommen ist. Etliche halten selbstgebastelte Plakate in die Höhe, «Flüchtlinge sind willkommen», ist da zu lesen, oder «Wir sind gegen Pegida». An der Fassade der Bayerischen Staatsoper hängen lange, weiße Stoffbahnen herab, «Für Respekt, Humanität, Vielfalt» ist darauf zu lesen. Diese Kundgebung hier ist auch ein Zeichen der Künstler, Flüchtlinge willkommen zu heißen und sich gegen die Ausländerhetze zu wenden. «Servus. Es ist schön, dass ihr hier seid», grüßt etwa der Liedermacher Konstantin Wecker von der Bühne herunter. Und: Wir machen keinen Unterschied zwischen Kriegsflüchtlingen und Armutsflüchtlingen.« Nicht diese Flüchtlinge brächten die Demokratie in Gefahr, sondern das Finanzkapital, so der Sänger.

»Integration funktioniert, wenn Ängste abgebaut und nicht geschürt werden«, so der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in seiner Ansprache. In München sei Platz für Flüchtlinge, die Stadt könne ihre Heimat werden. Hier sei aber »kein Platz, um Angst zu schüren, kein Platz für Hetze und die Verleumdung von Menschen«. An die Pegida-Demonstration in Dresden gerichtet sagte Reiter, die Teilnehmer hätten eine Verantwortung dafür, wem sie hinterliefen. Die Würde des Menschen sei unantastbar und daran müsse sich jede Demonstration messen lassen.

Und während in der Münchner Innenstadt der Weihnachtseinkauf voll im Gang ist, werden die Menschen auf dem Platz vor der Oper immer mehr, darunter viele Junge und Mütter mit ihren kleinen Kindern. Und auch die Älteren sind hier: »Es ist wichtig, dass man sich zeigt. Dass die Vernünftigen das Straßenbild prägen«, sagt ein 66-Jähriger aus Buchheim. Vorne am Rednerpult wehen Gewerkschaftsfahnen, hinten an der Oper und rund um den Platz stehen die Menschen dichtgedrängt. Immer wieder gibt es Applaus, es sprechen die Vertreter der Religionsgemeinschaften, Kabarettisten und Musikgruppen treten auf. Die Veranstalter - ein breites Bündnis aus kirchlichen Gruppen, Künstlern, Politikern und Flüchtlingsorganisationen - wollen sogar an die 25 000 Teilnehmer gezählt haben.

Demgegenüber bleibt das Grüppchen an Islamgegnern, die sich am 500 Meter entfernten Promenadeplatz unter der Bezeichnung »Mügida« versammelt haben, mit zwei bis drei Dutzend Teilnehmern von der Zahl her kläglich, sie haben in München nichts zu melden. Auf einem Schild der Pegida-Anhänger steht: »Freiheit statt Salafismus.« Eine bereits angemeldete Demonstration wurde von den Veranstaltern wieder zurückgezogen. An die 70 junge Gegendemonstranten halten ihre Transparente hoch und skandieren: »Haut ab, haut ab!«

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