Ruhet im fairen Frieden

Die Gütegemeinschaft Friedhofssysteme e.V. zertifiziert nachhaltige letzte Ruhestätten

  • Frank Odenthal
  • Lesedauer: 4 Min.
Egal ob bio, fair trade oder klimaneutral - Labels sind gut fürs Geschäft. Inzwischen werden sogar Friedhöfe zertifiziert.

Wer von Nachhaltigkeit redet, der hat die Zukunft im Blick. Fair soll es zugehen, biologisch korrekt sowieso und immer mit Blick auf künftige Generationen. Friedhöfe fallen einem dazu eigentlich nicht ein. Doch es gibt sie, die nachhaltige Letzte Ruhe. Und ein Berliner Verein zertifiziert sie.

»RAL-Gütezeichen« nennt sich das Siegel, verliehen von der »Gütegemeinschaft Friedhofssysteme e.V.« in Kooperation mit dem »RAL-Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.«. Der Verein berät seit 1999 deutschlandweit Friedhofsträger bei der Errichtung, vor allem aber beim Umbau und der Sanierung von Grabstätten und ganzen Friedhofsanlagen und führt jährliche Prüfungen durch. Vorsitzender ist Hubert Schmitt; der 58-jährige Unterfranke leitet den Verein seit 1999 ehrenamtlich.

Die zentrale Funktion eines Friedhofs, so Schmitt, sei natürlich die der Bestattung. Das Erdreich der Anlage müsse geeignet sein, für eine vollständige Verwesung der Leichname zu sorgen. Es müsse luftdurchlässig sein und einen geeigneten Wasserdurchfluss ermöglichen. »Doch schon an dieser grundlegenden Funktion scheitern von den 32 000 Friedhöfen in Deutschland schätzungsweise 70 Prozent.« Staue sich zu viel Wasser in einem Erdgrab, könne es zur Bildung von Wachsleichen kommen. Eine vollständige Verwesung der Körper werde so verhindert.

»Ein von uns zertifizierter Friedhof garantiert die geologische und hydrologische Tauglichkeit der Anlage«, sagt Schmitt. »Und kommt etwa ein Grabkammersystem zum Einsatz, das über ein Drainage- und ein Luftfiltersystem verfügt, sind unerwünschte Unterbrechungen des Verwesungsprozesses nahezu ausgeschlossen.«

Grabkammersysteme als Erdgräber sind so etwas wie der letzte Schrei unter den hierzulande angebotenen Bestattungsformen. Sie sind pflegearm und problemlos mehrfach nutzbar. Und könnten dem Trend zur Urnenbestattung entgegenwirken, die wegen Kostenvorteilen, dem geringen Aufwand zur Grabpflege und der kürzeren Nutzungsdauer der Ruhestätte immer populärer wird. Auf vielen Friedhöfen führt dieser Trend bereits zu großen ungenutzten Freiflächen.

»Für die Zersetzungsprozesse reicht bei idealen Rahmenbedingungen ein Zeitraum von zehn bis zwölf Jahren«, erklärt Schmitt. Entsprechend sollte die Mindestruhezeit eines Erdgrabes diesen Zeitrahmen nicht unterschreiten. Deren Festlegung ist Ländersache; in Baden-Württemberg liegt sie bei 15 Jahren, in Berlin bei 20 Jahren.

»Lange Liegezeiten sind für den Friedhofsbetreiber ein großes Problem, und die vielen freien Flächen durch ungenutzte Erdgräber ebenfalls«, so Schmitt. Kaum ein Friedhof werde heutzutage noch kostendeckend betrieben. Zwar fallen jährlich Friedhofsgebühren von 2,5 Milliarden Euro an, dennoch müsse von den Gemeinden rund eine Milliarde Euro beigesteuert werden. »Da macht es einen Unterschied, ob eine Grabfläche ungenutzt bleibt oder in einem gegebenen Zeitraum einmal oder mehrfach verwenden kann.«

Gerade in Städten sind Friedhöfe auch Hotspots der Biodiversität. Besonders Waldfriedhöfe und Anlagen mit altem Baumbestand beherbergen eine Vielzahl von Tieren - Vögel, die in den Bäumen ihre Nester bauen; Käfer und Kerbtiere, die sich unter den Rinden ansiedeln. Einige werden auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten geführt. Und manche Aussegnungshallen dienen seltenen Fledermäusen als Rückzugsort.

Zum Erhalt solcher Habitate möchte die »Gütegemeinschaft Friedhofssysteme« beitragen. Deshalb gehören Umweltaspekte, wie der Schutz des Grundwassers und der Böden, ebenfalls zu den Kriterien, die der Verein überwacht. »Man kann das RAL-Gütezeichen eben auch als eine Art Bio-Siegel für die Letzte Ruhestätte verstehen«, so Schmitt.

Dass es bei der Mehrzahl der Friedhöfe Probleme mit Wachsleichen geben soll, überrascht Gerhard Hugenschmidt, dessen Firma allein 16 Friedhöfe im Raum Südbaden betreut. »Die Friedhofsbauer, die ich kenne, verstehen ihr Handwerk und wissen, wie sie bei Schwierigkeiten mit den Grabstätten zu reagieren haben«, so Hugenschmidt. Eine Notwendigkeit für eine Zertifizierung sehe er daher für seine Anlagen nicht; aber das könne bei anderen Trägern anders sein. »Und für die Hinterbliebenen ist ein solches Gütesiegel zur Orientierung sicherlich hilfreich.« Für Qualität bei den Anbietern dürfte das Gütesiegel für Friedhöfe also sorgen - die Nachfrage ist sowieso stabil.

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