Besucher aus Belarus und wieder Rinderbraten

Russland empfing Spitzenpolitiker aus Minsk mit einem Zeichen der Entspannung

  • Jonas Wegmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Präsident von Belarus ist bekannt für eigenwillige Politik. Doch allzu viel Ärger mit Russland hilft ihm auch nicht weiter.

Es konnte als gutes Zeichen gelten, dass Moskau pünktlich zum Besuch des belarussischen Premiers Andrej Kobjakow einige Handelsbeschränkungen aufhob. Ab diesen Donnerstag durften laut der Agentur BelTA neun belarussische Unternehmen die Lieferung von Rindfleisch in das Nachbarland wieder aufnehmen. Formell und offiziell wurden die Produkte in Laboren überprüft. Die Befunde waren offenbar negativ. Aber positiv auswirken dürfte sich das Ergebnis auf die zuletzt angespannten Beziehungen - auch mit Rinderbraten auf russischen Mittagstischen in Zeiten der Sanktionen.

Vielleicht auch für den belarussischen Premier, Andrej Kobjakow, Kaum zufällig war dessen Arbeitsbesuch in Moskau just auf eben diesen 5. und 6. Februar gelegt. Dabei geht es in der Residenz Gorki unweiter der russischen Hauptstadt nicht nur um den Vorsitz einer Tagung des Eurasischen zwischenstaatlichen Rates. Geplant sind auch Gespräche mit Russlands Premiers Dmitri Medwedew. Bereits am Dienstag war Präsident Alexander Lukaschenko zum Kurzbesuch nach Sotschi gekommen, angeblich um sich über die örtliche Infrastruktur für Sport und Tourismus zu informieren.

Vor allem aber war ein Treffen mit dem russischen Amtskollegen Wladimir Putin geplant. Eine gute Gelegenheit, um dem Gastgeber zu versichern, dass jüngste martialische Worte vielleicht doch nicht so sehr gegen den großen Nachbarn gerichtet gewesen seien. Lukaschenko hatte durchaus deutbar verkündet, dass es ihm gleich sei, wer gegen Belarus einen Krieg führen wolle. »Wer mit dem Schwert zu uns kommt, wird durch das Schwert fallen.«

Als eine große Sorge des seit gut 20 Jahren über Belarus herrschenden Präsidenten muss in der Tat der ukrainische Konflikt gelten. Hier tätige Söldner könnten »höchstwahrscheinlich auch gegen Russland oder Belarus kämpfen«, argwöhnt Lukaschenko. Ein zum Monatsanfang in Kraft getretenes neues Gesetz gestattet die Bewertung des Eindringen von Kämpfern ohne Uniform und Hoheitszeichen als Invasion. Das kann sich freilich nicht nur gegen irgendwelche Söldner richten, sondern ebenso gut gegen Akteure eines »hybriden« Krieges nach dem Beispiel der russischen Übernahme der Krim.

Eine weitere Besorgnis des Präsidenten gilt der Innenpolitik. Gewiss sollten unterschiedliche Meinungen verschiedener Gruppen berücksichtigt werden, räumte Lukaschenko auf seiner Jahrespresskonferenz ein, doch müsse »andererseits jeder Versuch einer Anstiftung zum Konflikt im Keim erstickt werden«.

Für die Präsidentenwahl am 20. November sieht er denn auch einfach keinen besseren Kandidaten als sich selbst. Nur er könne den Zusammenbruch des Landes verhindern, vertraute er selbstbewusst der Öffentlichkeit sowie ausdrücklich und namentlich »dem Kreml« an.

In einer Analyse unter der Schlagzeile »Einstürzende Union« widmete sich die Internetzeitung »Gaseta.ru« dem starken Mann in Minsk. Dieser schließe einen Austritt aus der Eurasischen Union nicht aus, hieß es, wenn er nicht gleichberechtigt behandelt werde. Üblen Ärger verursachten ihm Handelskriege mit Russland und Kasachstan um Milch, Fleisch oder Pralinen. Wiederholt kam es zu Beschränkungen des Warenverkehrs - offiziell oder mit Hilfe von Veterinären oder Zollbeamten.

Wütend beschwerten sich Lukaschenko und sein kasachischer Kollege Nursultan Nasarbajew, dass Transporte vor ihrem Transit durch Russland kontrolliert worden seien. Doch Moskau beschuldigte Minsk und Astana, gegen den Westen verhängte Sanktionen zu unterlaufen. So wurden von Zollämtern in Brjansk und anderswo Hunderte Tonnen Lebensmittel unter dem Verdacht zurückgewiesen, sie sollten in russische Geschäfte gelangen.

Belarus wies alle Anschuldigungen zurück. Doch in Moskau konnte man sich darüber wundern, dass der Westimport des chronisch klammen Verbündeten nach Verhängung der russischen Sanktionen im Vergleich zu den Vorjahreswerten um 80 Prozent förmlich explodierte. Und das bei Gütern wie Milch, Schweinefleisch oder polnischen Äpfeln.

Vielleicht gerade weil die Abhängigkeit von Russland und Eurasischen Union sehr groß ist, legt Lukaschenko besonderen Wert auf die Betonung von Eigenständigkeit. Nach seinen Worten treibt Belarus inzwischen mit dem »Westen mehr Handel als mit Russland«. So würden auf Russland »nur« 42 Prozent des Außenhandelsumsatzes entfallen.

Der ist fast so sauber geteilt wie die Minsker Parteinahme zwischen Moskau und Kiew im Ukrainekonflikt. Mit demonstrativer Neutralität will Belarus hier nicht nur Frieden stiften, sondern allseits Punkte machen.

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