Die Hartz-Rebellin auf Listenplatz 13

Streitbare Aktivistin will in die Hamburger Bürgerschaft: Inge Hannemann tritt für die Linkspartei an - »Das ist eine Geschäftsbeziehung«

  • Sebastian Bronst
  • Lesedauer: 3 Min.

Hamburg. Sie ist keine Spitzenkandidatin, hat noch nicht einmal einen sonderlich aussichtsreichen Listenplatz. Aus den Bewerbern für einen Sitz in der Hamburger Bürgerschaft sticht Inge Hannemann gleichwohl hervor. Die als »Hartz-IV-Rebellin« bekanntgewordene frühere Jobcenter-Mitarbeiterin will bei dem Urnengang am Sonntag als parteilose Kandidatin für die Linke ins Landesparlament einziehen. Bereits seit dem Sommer sitzt die 1968 geborene Kritikerin des staatlichen Umgangs mit Arbeitslosen für die Linke in der Bezirksversammlung von Hamburg-Altona, wo sie auch wohnt. Nun soll der nächste Schritt erfolgen.

Die Anlehnung an eine Partei war ein Strategiewechsel für Hannemann, die zunächst allein als Bloggerin und Aktivistin agierte. Die Arbeitsmarktpolitik könne letztlich aber nur »aus dem System heraus« geändert werden, sagte sie in einem Interview. Allein könne sie Diskussionen nur anregen, für alles andere brauche sie die Politik. Sie fühle sich aber weiter unabhängig, betonte sie. »Das ist eine Geschäftsbeziehung.« Die Linke profitiere durch ihren Namen, sie durch den Zugang zu deren Instrumenten der politischen Arbeit.

Hannemann ist Angestellte bei der Stadt Hamburg. Diese ordnete die engagierte Frau, die früher nach eigenen Angaben zeitweise bei den Jusos, der SPD-Nachwuchsorganisation, aktiv war, vor einigen Jahren an ein Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit (BA) in der Hansestadt ab. Während ihrer Tätigkeit ging Hannemann dort immer mehr auf Distanz zu einem System, das nach ihrer Auffassung Arbeitslose schikaniert und in ihrer Würde verletzt.

Sie begann ihre Kritik in teils sehr drastischer Form in einem privaten Blog im Internet zu verbreiten. Dies machte sie bekannt, führte aber auch zu ihrer Suspendierung. Die BA bezichtigte Hannemann der Selbstprofilierung und wies die von ihr erhobenen Vorwürfe zurück, die Stadt Hamburg versetzte die Angestellte schließlich auf einen Posten im Integrationsamt. Hannemann klagte dagegen. Am Ende verlor sie zwar, doch ihre Geschichte wurde dadurch erst recht bekannt. Hannemann entwickelte sich zum Medienprofi, Journalisten gingen bei ihr ein und aus.

Auch die Linke entdeckte die streitbare Angestellte, machte sie zu einer Art Kronzeugin für die Ablehnung des Hartz-IV-Systems und unterstützte sie als eine »Informantin«, die ungeachtet aller persönlicher Nachteile unangenehme Wahrheiten aus dem Inneren der BA an die Öffentlichkeit weitergab. Spitzenleute wie Parteichefin Katja Kipping fuhren zu den Arbeitsgerichtsterminen nach Hamburg, um die »Hartz-IV-Rebellin« medienwirksam zu unterstützen. Daraus entwickelte sich der Kontakt, der zu Hannemanns Partei-Engagement führte.

Ob Hannemann am Sonntag tatsächlich für die Linke in die Bürgerschaft einziehen wird, ist allerdings noch offen. Auf der Landesliste steht sie auf dem 13. Platz, gegenwärtig stellt die Partei im Hamburger Landesparlament acht Abgeordnete. Die Linke müsste ihren Stimmanteil also sehr deutlich erhöhen, damit die »Hartz-IV-Rebellin« künftig die Reihen ihrer Bürgerschaftsfraktion stärkt. AFP/nd

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