Hamburgs LINKE diskutiert über die Doppelspitze

Parteiinterne Kritiker monieren »Hierarchisierung« - Fraktionschefin Dora Heyenn soll Amt teilen

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Erfolg bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg diskutiert die LINKE über die Einführung einer Doppelspitze mit zwei Fraktionsvorsitzenden.

Ein Streit um die Installation einer Doppelspitze in der neu gewählten Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft sorgt für Spannungen in der Partei, die sich bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar von bisher 6,4 auf 8,5 Prozent steigern konnte. Die Zahl der Abgeordneten der LINKEN in der Bürgerschaft stieg von acht auf elf. Seit dem Einzug in die Bürgerschaft 2008 bekleidete Dora Heyenn bisher das Amt der Fraktionschefin. Doch nun fordern Weggefährten die Bildung einer Doppelspitze. Das geht aus einem Antrag hervor, den der bisherige Stellvertreter von Heyenn, Norbert Hackbusch, sowie die ebenfalls wieder gewählte Christiane Schneider in die konstituierende Fraktionssitzung am 23. Februar einbrachten.

Für Aufregung in der Partei sorgte vor allem die Begründung des Antrags, in dem von einer »Tendenz zur Hierarchisierung« gesprochen wird: »Sichtbarer Ausdruck dieser Hierarchisierung war das Großplakat der Spitzenkandidatin (Dora Heyenn, d. Red.).« Hierbei habe es sich um »eine höchst einseitige Personalisierung« gehandelt, »die sich im Wahlkampf nahezu zwangsläufig in der Konzentration der Ressourcen auf eine ›Spitze‹ niederschlug«. Diese Personalisierung sei von den Medien in der Hansestadt »unkritisch« übernommen worden. Unklar bleibt allerdings, warum die Kritiker erst nach der Wahl die »Personalisierung« beanstanden.

Dass nicht alle Funktionsträger mit der späteren Spitzenkandidatin einverstanden waren, zeigte sich bereits beim Nominierungsparteitag im November 2014. Hier erhielt Dora Heyenn nur 55 Prozent der Delegiertenstimmen und konnte nur mit Mühe zum Weitermachen bewegt werden. Dennoch wurde sie von der Hamburger LINKEN zur Spitzenkandidatin gekürt. Während einer Pressekonferenz präsentierte das Wahlkampfteam mit allen Kandidaten unwidersprochen unter anderem ein Großplakat mit dem Porträt von Heyenn. Möglicherweise rumorte es damals schon in der Partei, so dass manche der selbstbewussten Fraktionschefin zumindest nach der Wahl einen Schuss vorm Bug geben wollten.

»Es geht nicht um eine Demontage von Dora Heyenn«, erklärte die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Kersten Artus, die nicht wieder in das Landesparlament gewählt wurde. »Es geht vielmehr um einen vernünftigen Generationenwechsel in der Fraktion.« Die 65-jährige Heyenn hatte bereits angekündigt, sich zur Hälfte der Legislaturperiode aus der Bürgerschaft zurückzuziehen. Auch Artus kritisiert den auf Heyenn zugeschnittenen Wahlkampf: »Wir hatten bisher immer mit einem Gruppenbild geworben.« Die Entscheidung der Wahlkampfleitung sei »keine basisdemokratische« gewesen.

Heyenn selbst zeigte sich ungehalten über den plötzlichen Vorstoß der eigenen Genossen in Richtung Doppelspitze: »Ich habe am Freitag letzter Woche während der Landesmitgliederversammlung neben Norbert Hackbusch gesessen, dort war noch nicht die Rede von einer Doppelspitze.« Auch bei einer vorhergehenden Sitzung sei das Thema nicht auf die Tagesordnung gesetzt worden. Angesprochen auf das überlebensgroße Wahlplakat mit ihrem Porträt sagte Heyenn: »Der Landesvorstand der Partei hatte beschlossen, dass es ein großes Personenplakat von mir geben soll.«

Christiane Schneider, bisher stellvertretende Fraktionsvorsitzende, erklärte: »Ich kann in der Forderung nach einer Doppelspitze keine Demontage von Dora Heyenn erkennen. Auch die Bundespartei hat eine Doppelspitze.« Sie selbst kandidiere nicht mehr für das Führungsgremium und und spricht sich dafür aus, mit der Doppelspitze die Verjüngung der Fraktionsspitze einzuleiten.

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