Mahagonny an der Warnow

Wolfgang Thierse kritisiert die Theaterpolitik von Rot-Schwarz in Schwerin - dort verbittet man sich das

  • Joachim Mangler
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen die auf Druck des Landes beschlossene »Reform« des Rostocker Theaters hatte der Chef des SPD-Kulturforums brieflich protestiert. Nun wurde das Schreiben öffentlich - nach dem Beschluss.

Rostock. Im Streit um die Zukunft des Volkstheaters Rostock hat der Chef des SPD-Kulturforums, Wolfgang Thierse, Mecklenburg-Vorpommerns Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD) kritisiert. Der Alt-Bundestagspräsident fordert, die Entscheidungen zum Volkstheater zu überdenken. Die Schauspieler des Rostocker Volkstheaters wurden am Samstagabend bei der Premiere von »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« gefeiert.

»Die Suche nach neuen Konzepten solle davon geleitet sein, die Attraktivität für die Stadt und die überregionale Ausstrahlung des Theaters zu stärken und nicht davon, es weiter zu reduzieren, ja letztlich kaputtzusparen«, heißt es in dem Brief, der der »Ostsee-Zeitung« und den Portalen »nachtkritik« sowie »das-ist-rostock« vorliegt. Brodkorb bestätigte auf Anfrage diesen Brief.

Die Rostocker Bürgerschaft hatte am Mittwoch auf Betreiben von Brodkorb und Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) mit knapper Mehrheit weitreichende Strukturveränderungen am Volkstheater beschlossen. Unter anderem sollen Musik- und Tanztheater künftig mit anderen Bühnen kooperieren. Nach Ansicht von Kritikern ist dies letztlich das Ende des Vierspartentheaters, 80 der 270 Stellen seien bedroht.

Die SPD-Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern werde langsam auch für die Bundespolitik zu einem Problem, schreibt Thierse in dem Brief, der das Datum 19. Februar trägt - eine Woche vor der Entscheidung der Bürgerschaft. Die Beschlussvorlage war erst am Dienstag öffentlich zugänglich. Auch in Vorpommern stemmen sich die Kommunen gegen Fusionspläne der Landesregierung.

Thierse sei eine herausragende Persönlichkeit der SPD, er beantworte dessen Briefe auch gerne und ausführlich, aber nicht öffentlich, reagierte Brodkorb. Die Theaterreform sei im Koalitionsvertrag von SPD und CDU festgeschrieben, wurde von zwei Parteitagen mit breiter Mehrheit verabschiedet und damit zum verbindlichen Handlungsauftrag für die Landesregierung. »Es gehört auch zur Demokratie, solche Mehrheitsbeschlüsse zu respektieren«, sagte Minister Brodkorb.

Nach Worten Thierses ist Kultur eine Pflichtaufgabe, die Sanierung von Haushalten dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. »Kultur ist eine Investition in die Zukunft, die sich im Hinblick auf Demokratie und Standortattraktivität vielfach auszahlt.« Wenn auf Landesebene eine Politik betrieben wird, die auf sozialdemokratische Grundsätze keine Rücksicht nimmt, richte das Schaden an und beschädige das Ansehen der Sozialdemokratie, kritisierte Thierse den Parteifreund.

Mit minutenlangem Applaus im ausverkauften Großen Haus des Rostocker Volkstheaters ist am Samstag die Premiere von »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« gefeiert worden. Der Applaus galt den Schauspielern, die nach Worten des Intendanten Sewan Latchinian wie nie zuvor in ihrer Existenz bedroht sind und trotzdem in den letzten Wochen hoch motiviert geprobt haben. Dies sei ihrer Leidenschaft gegenüber dem Publikum, der Stadt und Mecklenburg-Vorpommern geschuldet, sagte er vor der Aufführung.

Am Ende trugen die Künstler Plakate mit Aufschriften wie »Kein Volkstheater« oder »Kein Konzert« - ein Bezug auf Mahagonny, wo stirbt, wer kein Geld hat. dpa

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