Staatsoper: Debakel mit Ansage

Gutachten aus der Zeit vor der Sanierung belegen, dass die Kostenexplosion für den Senat absehbar war

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Von 239 auf 389 Millionen Euro stiegen die Kosten für die Sanierung der Staatsoper. Entgegen der Aussagen der Verwaltung waren die Probleme feuchter Untergrund und marode Substanz früh bekannt.

Die letzte Hiobsbotschaft liegt erst ein paar Tage zurück. Die laufende Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zieht auch benachbarte Gebäude wie die katholische Hedwigs-Kathedrale in Mitleidenschaft. So sind laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter anderem im Fußbodenbereich des Gotteshauses »Risse und Hebungen« festgestellt worden. »Das Ausmaß der Schäden wird derzeit ermittelt«, erklärte die Verwaltung von Bausenator Andreas Geisel (SPD). Die Höhe der Kosten für die Staatsoper, deren Wiedereröffnung mittlerweile auf das Jahr 2017 verschoben wurde, dürften also weiter steigen. Nach jüngsten Berechnungen soll die aus dem Ruder gelaufene Sanierung 150 Millionen Euro mehr kosten als ursprünglich geplant war: statt 239 also 389 Millionen Euro. »Doch auch diese Summe ist nicht das letzte Wort«, hatte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher unlängst eingeräumt.

Wie es zu diesem »Sanierungsdebakel« kam, will die Opposition im Abgeordnetenhaus jetzt durch einen Untersuchungsausschuss klären lassen. »Wir wollen eine zügige Aufklärung über die Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen bei der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden«, erklärten Grüne, LINKE und Piraten.

Wann der zweite Untersuchungsausschuss dieser Legislatur seine Arbeit aufnehmen wird, steht noch nicht fest. Zurzeit befindet sich der Antrag der Oppositionsfraktionen in den Ausschüssen. Ende April, Anfang Mai könnte es aber losgehen. Im Zentrum des auf ein Jahr beschränkten Untersuchungsausschusses dürften neben den politischen Verantwortlichkeiten auch Fehler und Versäumnisse bei der Planung liegen. »Wir glauben, dass die entscheidenden Fehler in der Planungsphase passiert sind«, sagt die Sprecherin für Kulturpolitik der Grünen, Sabine Bangert. Da wurde einfach losgebaut, bevor zu Ende geplant war. Probleme wie eindringendes Grundwasser wären »nicht wirklich« überraschend gewesen, betont Bangert, die sich noch gut an Führungen in der vergangenen Legislatur in der Staatsoper erinnern kann, »bei denen Gummistiefel« ausgeteilt wurden. Auch die LINKE hatte dem Senat »Vernebelungstaktiken« bezüglich der Kosten- und Zeitrisiken vorgeworfen, die »schöngeredet« worden seien.

Wie absehbar die Probleme mit dem Baugrund und der Bausubstanz bei der Staatsoper-Sanierung waren, belegen auch zwei Gutachten aus der Frühphase der Bedarfsplanung für die Sanierung, die »neues deutschland« vorliegen. Im Rahmen einer Kostenschätzung für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kam das »Erdbaulabor Hannover Ingenieure GmbH« bereits im Oktober 2007 zu dem Ergebnis: »Aus unseren Erfahrungen ist für die Einschätzung des Gesamtkostenrisikos auf Arbeiten im Spezialtiefbau von einem Zuschlag von 30 Prozent bis 50 Prozent auszugehen.« Die Sachverständigen für Grundbau hatten sich unter anderem mit der Grundwasserabsenkung und den nötigen Spundwänden beschäftigt.

Trotzdem argumentiert die Verwaltung in einer Vorlage für das Abgeordnetenhaus noch heute mit »unerwarteten Feuchtigkeitsschäden«. Als weitere Entschuldigung für die hohen Kosten dient überdies in der Diskussion immer wieder die angeblich überraschend schlechte Bausubstanz der Staatsoper.

Doch auch diese war den Verantwortlichen im Senat für Stadtentwicklung wohl seit längerem hinlänglich bekannt. Dies legt zumindest ein »Bericht zur Schadstoffuntersuchung Berliner Staatsoper« der »Gesellschaft für ökologische Bautechnik Berlin mbH« dar, der bereits im Februar 2007 angefertigt worden war. Aus dem 84-seitigen Papier, das »nd« ebenfalls vorliegt, geht hervor, wie stark das Ensemble mit Schadstoffen belastet war: Asbest, krebserregende Dämmstoffe aus künstlichen Mineralfasern, Schwermetalle, Phenole, sogar radioaktive Rauchmelder, sogenannte Ionisationsrauchmelder, wurden festgestellt. Die Gutachter folgerten aus den vorgefundenen Belastungen bereits 2007: »Bei einer umfassenden Sanierung des Gebäudes sind die genannten Schadstoffe rückzubauen.« Und: Durch die »Dekontamination« würden »erhebliche Kosten« entstehen.

Warum trotz der Risiken Jahre später offenbar überhastet und ohne abgeschlossene Planung losgebaut wurde, wird der Untersuchungsausschuss zu klären haben. Für Sabine Bangert steht bereits jetzt fest: Eine »Stimme der Vernunft«, die die Planungen kritisch hinterfragte, gab es auf der Ebene der Verantwortlichen vermutlich nicht.

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