Verwaltet statt gefördert

Jobcenter kürzten im Jahr 2014 direkte Arbeitsförderung um mehr als eine halbe Milliarde Euro

  • Roland Bunzenthal
  • Lesedauer: 3 Min.
Langzeitarbeitslose brauchen am meisten Unterstützung, um am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Doch die Jobcenter kürzen massiv.

Auf der einen Seite steigende Verwaltungskosten, auf der anderen weniger Qualifizierungsmaßnahmen für Erwerbslose. So stellt sich derzeit die Situation bei den 408 Jobcentern in Deutschland im Hinblick der Hartz-IV-Arbeitslosen dar. Da die beiden Ausgabeposten »Verwaltungskosten« und »Arbeitsmarktpolitische Eingliederungshilfen« im Bundeshaushalt deckungsfähig sind, geht die Zunahme der Verwaltungskosten direkt zu Lasten der Förderung Arbeitsloser.

Nach Auskunft des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BiAJ)hat dies dazu geführt, dass die Jobcenter im abgelaufenen Jahr insgesamt knapp 400 Millionen Euro mehr für ihre Verwaltung ausgaben als im Haushaltsplan kalkuliert worden war. Für die direkte Förderung von Arbeitslosen wurden rund 539 Millionen Euro weniger ausgegeben. Darunter fallen Berufsbildungskurse, öffentliche Arbeitsgelegenheiten oder Lohnzuschüsse, die bei der Jobsuche helfen. Das ergibt einen Saldo von 145 Millionen Euro nicht verwendeter Mittel, die ungenutzt an den Bund zurück flossen. Eine »sehr einseitige Deckung« meint das BiAJ zu den Verschiebungen im Etat. Das führe dazu, dass sich »die Politik zunehmend von der Haushaltswahrheit entfernt«.

Die Bundesregierung plant in ihrem Haushalt 2015 Hartz-IV-Ausgaben in Höhe von 31, 7 Milliarden Euro. Davon gehen 4,7 Milliarden für Verwaltungskosten drauf - 1070 Euro pro Leistungsbezieher. Im Jahr 2006 waren es gerade mal 660 Euro pro »Kunde« für die Administration.

Die Folge der Umschichtung bei relativ gleichbleibendem Gesamtetat zeigt sich bei den Instrumenten der Arbeitsvermittler: So wurden 421 000 Arbeitslosengeld-Bezieher durch die Arbeitsagenturen gefördert, aber nur 392 000 Hartz-IV-Empfänger. Dabei machen letztere rund 70 Prozent aller Arbeitslosen aus.

Die Einsparungen machen sich bemerkbar: So sanken 2014 die Teilnehmerzahlen bei Maßnahmen, etwa bei den Arbeitsgelegenheiten (minus sieben Prozent), bei der Förderung der Berufsfortbildung (minus 23 Prozent), bei ausbildungsbegleitenden Hilfen für Jugendliche (minus 37 Prozent) und bei außerbetrieblicher Ausbildung (minus zehn Prozent).

Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat ungefähr ein Fünftel der gut eine Million Langzeitarbeitslosen »kaum noch realistische Chancen auf einen Job im ersten Arbeitsmarkt«. Sie trügen dadurch »ein hohes Risiko sozialer Teilhabedefizite« in der Gesellschaft. Dieser Gruppe würden allenfalls die Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) helfen - unter der Voraussetzung, dass sie freiwillig wahrgenommen würden und nicht auf Druck des Jobcenters.

In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten Union und SPD beschlossen, die Mittel für die Integration Langzeitarbeitsloser zwischen 2014 und 2017 um 1,4 Milliarden Euro zu erhöhen. Der geplante Betrag im Bundeshaushalt 2015 für Hartz-IV-Leistungen unterscheidet sich jedoch nur marginal von dem im Haushalt 2014. Davon fließen unverändert 120 Millionen in die spezielle Förderung von Langzeitarbeitslosen, 350 Millionen in die Förderung älterer Arbeitsloser und acht Millionen in das Modellprojekt »Bürgerarbeit« zur Aufnahme ehrenamtlicher Tätigkeiten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beklagt, dass er keine Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeit bei Hartz IV habe und die Gewerkschaft damit nur noch für 30 Prozent der Arbeitslosen zuständig sei. Die Ausgaben für die Förderung von Hartz-IV-Beziehern seien zu niedrig. Viele bedürften zusätzlicher Beratung und sozialpsychologischer Unterstützung. Der DGB fordert auch eine transparente Rechenschaftspflicht der Jobcenter - zumal sich Schwerpunkte und Effizienz der 303 gemeinsam von Kommunen und Bund sowie den 105 unter Regie der Kommunen stehenden Jobcenter unterschieden. So gebe es 49 Jobcenter, die 2014 über zehn Prozent ihrer Mittel nicht ausschöpften und das übrige Geld mit Verwaltungskosten verrechneten oder an den Bund zurückzahlten.

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