Vorwärts und »nd« nie vergessen

Leserwanderung führt vorbei am historischen Ort des Arbeiterzeltplatzes »Kuhle Wampe«

Am 19. April startet die nd-Frühjahrswanderung von 8 bis 11 Uhr am S-Bahnhof Wilhelmshagen. Sie führt zum Hotel Müggelsee Berlin.

Am 19. April streift die nd-Leserwanderung den authentischen Ort des Arbeiterzeltplatzes »Kuhle Wampe«. Gestartet wird von 8 bis 11 Uhr am S-Bahnhof Wilhelmshagen. Von dort geht es wahlweise über 9 oder 14 Kilometer zum Hotel Müggelsee.

»Wir schreiben das Jahr 2015 und befinden uns auf einem der schönsten Plätze Berlins«, vermerkt stolz der Zeltplatz »Kuhle Wampe«. Es gibt ihn noch, wenn auch schon lange nicht mehr am Ufer des Müggelsees, wo seine Geschichte 1913 begann. Zweite Heimat ist 1991 eine Stelle an der Große Krampe geworden, die rund fünf Kilometer südlich liegt. Dort hatten sich nach zähem Ringen mit den Behörden der Zeltsportverein Seddiner Zeltler Köpenick, die Sportgemeinschaft Empor Hohenschönhausen und die Krampenburger Wasser- und Naturfreunde niedergelassen - und sie haben sich mit dem Namen ihres Platzes zur Tradition des alten Arbeiterzeltplatzes »Kuhle Wampe« bekannt. Den hatten die Faschisten 1935 beseitigt.

Am historischen Ort am Müggelsee schlagen die Wellen an das mit Schilf bewachsene Ufer. Ein Hinweisschild erinnert an den berühmten Zeltplatz - berühmt durch den Film »Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?« (1932). Regisseur Slátan Dudow hatte einige Szenen auf dem Zeltplatz und in der Umgebung gedreht. Wie es sich in der Weltwirtschaftskrise tatsächlich vielfach abspielte, zieht die Arbeiterfamilie mit Vater, Mutter und Tochter raus auf den Zeltplatz, weil sie die Miete der Wohnung nicht mehr bezahlen konnte. Der Sohn stürzt sich im ersten Kapitel des Films aus dem Fenster. Er hatte vergeblich Arbeit gesucht.

Am Drehbuch wirkte Bert Brecht mit und die Musik komponierte Hanns Eisler. Der 68 Minuten lange Streifen ist in vielerlei Beziehung etwas besonderes. Er ist ganz anders als die auf kommerziellen Erfolg angelegten Unterhaltungsfilme der Weimarer Republik. Da war das Filmkollektiv. Da waren der Schnitt, die Bildersprache und der Stil, die an die sowjetische Avantgarde erinnern. Da war der Bruch mit der gewohnten Vorgehensweise, wenn Bilder von tristen Mietskasernen nicht mit trauriger Musik, sondern mit aufrüttelnden Tönen unterlegt wurden. Da war der gewollte Verzicht auf Einfühlung, stattdessen Brechts Konzept der Verfremdung, das er seinen Lehrstücken zugrunde legte. Die Sprechweise der Darsteller, die wenig flüssigen Dialoge haben ihre Ursache vor allem darin und nicht allein in der Tatsache, dass viele Laien mitwirkten und nur wenige professionelle Schauspieler wie Hertha Thiele.

Thiele hatte ihr Filmdebüt 1931 mit »Mädchen in Uniform« gefeiert, einem Streifen, der lesbische Liebe und unmenschliche preußische Strenge gegenüberstellte. Bekannter ist das 1958 gedrehte Remake von »Mädchen in Uniform« mit Romy Schneider. Die 1931er Version wurde zunächst verboten.

Verboten wurde auch »Kuhle Wampe«. Zu deutlich war die kommunistische Aussage, die politische Absicht des Films. Gerade deswegen passierte das Material nicht die Zensur, selbst bei der Streichung von Nacktszenen. Die Uraufführung musste in Moskau stattfinden. Aber als der Streifen endlich doch noch in Deutschland gezeigt werden durfte, sahen ihn allein in Berlin in der ersten Woche nach der Premiere 14 000 Zuschauer.

Jeder Ostdeutsche, der in der DDR die Schule besuchte, müsste das Solidaritätslied kennen, das im Film erklingt. Es ist im Musikunterricht dran gewesen. Brecht hatte den Text verfasst, Eisler die Melodie geliefert. Hertha Thieles Filmpartner Ernst Busch hat das Lied gesungen. Am Ende des Films wird das Lied von einem großen Chor angestimmt: »Vorwärts und nicht vergessen,/ worin unsere Stärke besteht!/ Beim Hungern und beim Essen,/ vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!«

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