Das Aus für Familiengeschäfte

Hohe Ladenmieten verdrängen kleine Händler aus den Innenstädten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer mehr Verbraucher bestellen ihre Waren über das Internet. Dies hat dramatische Folgen für Deutschlands Innenstädte.

Früher kaufte man in dem kleinen Geschäft die neueste Scheibe von den »Rolling Stones«. Dann wandelte sich die Innenstadt. Die ersten auswärtigen Einzelhändler zogen ein ins Hamburger »Centrum«. Kürzlich wurde das letzte alte Café abgerissen, in dem es noch eine persönliche Bedienung gab. Und das keiner Kette gehörte. Nun wird ausgerechnet die nach der Krisen-Landesbank benannte »HSH Nordbank Shopping Passage« und deren Umfeld neu gestaltet. Eine umfassende Renovierung schaffe »ansprechende und freundliche Einkaufsatmosphäre«, verspricht Hans-Jürgen Niehaus von der HSH: »Mit dem modernen, neuen Konzept schaffen wir 2016 attraktive Einzelhandelsflächen in der Innenstadt.«

Die Flächen werden für viele angestammte Einzelhändler unerschwinglich sein. Wie in anderen Metropolen: 70 000 Euro im Monat soll ein mittleres Ladenlokal im Kölner Zentrum kosten. Eine Quadratmetermiete von mehr als 200 Euro. Premium-Büromieten sind dagegen mit etwa 20 Euro ein Klacks. In Kölner 1a-Lagen wie der Schildergasse oder der Hohen Straße werden laut des Fachinformationsdienstes »Immobilienbrief« 260 Euro pro Quadratmeter verlangt. In München bis zu 390 Euro. Astronomische Preise, die viele inhabergeführte Einzelhändler nicht aufbringen können. Dabei liegen zwei Drittel aller Verkaufsflächen in Innenstädten und Stadteilzentren, berichtet der Einzelhandelsverband Deutschland (HDE). Alteingesessene Läden überleben oft nur, wenn sie einen sozialen Vermieter haben, langfristige alte Mietverträge besitzen oder Eigentümer der Immobilie sind.

Mitschuld an der monotonen Einöde deutscher Innenstädte tragen auch die Verbraucher, die immer häufiger beim Onlinehandel bestellen. So klagen die »normalen« Ladenbetreiber nach Angaben des HDE über sinkende Besucherzahlen. Doch dies ist wohl erst der Anfang. Kurz- und mittelfristig sieht der Verband ein leichtes Wachstumspotenzial, langfristig aber »schwindende Spielräume und gesättigte Märkte«. Die Folge wird ein zunehmender Verdrängungswettbewerb sein.

Auch in Mittelzentren wie Rostock prägen inzwischen Handelsketten das Bild. Besonders ausländische Konzerne drängten in die Toplagen, heißt es beim US-amerikanischen Beratungsunternehmen CBRE in Frankfurt am Main. »Im zweiten Jahr in Folge wurde Deutschland weltweit als der attraktivste Markt für Einzelhändler bewertet«, lobt ein Sprecher. Fast jeder zweite globale Einzelhändler plane 2015 die Eröffnung neuer »Stores«. Vor allem Modefirmen aus den Niederlanden, Spanien oder Italien kommen. Der Grund seien die attraktiven wirtschaftlichen Rahmendaten, so CBRE.

Hierzulande noch weitgehend namenlose Marken wie »Cadenzza« (Schmuck) oder »Office« (Schuhe) nutzen sogenannte Pilotstores in Großstädten, um ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Der eigentliche Umsatz läuft dann über Internet oder Einzelhandelsketten. Auch Herstellerläden machen den Familiengeschäften das Leben zunehmend schwer. Adidas oder Beiersdorf (»Nivea«), zuletzt in Hamburg-Eppendorf, eröffnen immer mehr eigene Geschäfte.

Angesichts wachsenden Reichtums und niedriger Zinsen drängen auf der Anbieterseite ebenfalls immer größere Spieler in die Anlageklasse »Core Handelsimmobilien«. Beispielsweise baut der Investor TLG seine »starke Präsenz in den zentralen Innenstadtlagen von Dresden weiter aus«. Doch langsam werden freie Flächen knapp. Deutschland »sei ausverkauft«, ist in der Branche zu hören, es sei denn, man lasse sich auf stark überhöhte Preise ein.

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