Ein Sieg der Vernunft

Der Linkenabgeordnete und Außenexperte Jan van Aken über das Eckpunktepapier mit dem Iran

  • Jan van Aken
  • Lesedauer: 3 Min.

Von mir aus braucht Iran keine Atomenergie. Sonne und Wind zur Energieerzeugung sind im Überfluss vorhanden. Aber natürlich hat Iran wie alle anderen Nationen – leider – das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomkraft, und dieses Recht wurde mit dem vorläufigen Verhandlungsergebnis von Lausanne bestätigt.

Genauso hatte der Rest der Welt gute Gründe, Iran zu misstrauen und eine mögliche militärische Nutzung zu befürchten. Denn es ist ziemlich sicher nachgewiesen, dass es bis zum Jahre 2003 tatsächlich ein geheimes Atomwaffen-Programm in Iran gab. Alle Erkenntnisse der internationalen Atombehörde IAEA deuten darauf hin, dass dieses Programm 2003 eingestellt wurde, aber natürlich bleibt ein berechtigtes Misstrauen. Auch dem ist jetzt Rechnung getragen worden; durch umfassende Kontrollen und eine massive Begrenzung des Atomprogramms.

Die jetzige vorläufige Einigung ist ein echter Sieg der Vernunft, denn erinnern wir uns: Zwischenzeitlich standen die Zeichen immer wieder auf Krieg. Die Zeitungen waren voll mit Berichten über Angriffsziele und Angriffsrouten, Politiker in den USA, Israel und auch Deutschland übten sich in Kriegsrhetorik. Jetzt ist die Gefahr eines weiteren Krieges im Mittleren Osten geringer geworden. Auch die Gefahr eines nuklear bewaffneten Iran hat damit deutlich abgenommen. Das ist gut, und es ist ein Erfolg der Diplomatie!

Der Erfolg von Lausanne zeigt eines noch mal ganz deutlich: Sanktionen sind kein Instrument der Außenpolitik, das wirklich Ergebnisse bringt. Iran wurde schon in den Jahren Ahmadinejads mit härtesten Strafmaßnahmen belegt. Eingeknickt ist dieser Hardliner dadurch nicht. Möglich geworden ist die Lösung erst dadurch, dass unter den Präsidenten Obama und Rouhani eine Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft vorherrschte, die in der Zeit von Bush und Ahmadinejad undenkbar war. Wenn alle weiter auf eine harte Haltung gesetzt hätten – so wie es damals selbst Teile des Bundestages taten – dann hätten wir jetzt keine Einigung und stünden vor dem Abgrund.

Auf der sicheren Seite sind wir aber noch nicht: Viele Details des Abkommens müssen noch festgeschrieben und dann auch wirklich umgesetzt werden. Wir können davon ausgehen, dass die Hardliner in Teheran und Washington auch weiterhin alles daran setzen werden, den Vertrag platzen zu lassen. Es gilt jetzt, Ruhe zu bewahren und im Zweifelsfall auch mal einseitig einen Schritt nach vorn zu machen, um das Abkommen nicht noch in letzter Minute zu gefährden.

Ab sofort sollte der Blick nach vorn gerichtet werden. Das heißt vor allem: Auf die Menschenrechtslage im Iran und auf das Gleichgewicht zwischen Saudi-Arabien und Iran. Es darf jetzt nicht nur darum gehen, die verlorenen Geschäfte der vergangenen Jahre schnellstmöglich wieder reinzuholen und einen Sturm deutscher Firmen auf das iranische Ölgeld zu organisieren.

Sobald wie möglich - was für mich heißt: am besten schon morgen – muss der Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Teheran wieder aufgenommen werden. In den letzten Jahren hat der Westen das Nukleardossier wichtiger genommen als die Menschenrechtslage in Iran. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr vielleicht sogar verständlich, aber das muss sich jetzt ändern.

Daneben gilt es aber nun auch, dem Regionalkonflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran größte Aufmerksamkeit zu schenken. Der destabilisiert die Region immer weiter und wird schon heute blutig ausgetragen, in Syrien, Irak oder jetzt in Jemen. Dieser Konflikt ist nicht die Wurzel aller Übel in der Region. Aber er ist der entscheidende Brandbeschleuniger im heutigen Mittleren Osten. Stabilität und Frieden dort wird es nur geben, wenn ein belastbarer Ausgleich zwischen beiden Staaten gelingt. Und diesen Ausgleich herbeizuführen, ist nun die Aufgabe der Diplomatie, auch der deutschen. Als fairer Makler, nicht an der Seite des Hauses Saud.

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