Auf dem Laufsteg verspielt

Am Neuen Theater in Halle kam »Mephisto« nach dem Roman von Klaus Mann auf die Bühne

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Seine Faszination ist ungebrochen - auch wenn man ihn nur aus zweiter Hand kennt. Zum Beispiel aus der Rumpelkammer, wo er ab und an sein »Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da« aus der Hüfte schoss. Gustaf Gründgens (1899-1963), der zeitweilige Ehemann von Erika Mann und Marianne Hoppe, der schillernde Karrierist und Reichsschauspieler, den der oberste Kunsträuber im Reich, Hermann Göring, zu seinen Trophäen zählte. Den er gar zum Staatstheaterintendanten machte. Dem er gönnerhaft sein früheres Liebäugeln mit der Linken durchgehen ließ. Und eine Weile auch die Exzesse mit der schwarzen Domina-Geliebten. So jedenfalls liest man es bei Ex-Schwager Klaus Mann im 1936 erschienen Roman »Mephisto«, der selbst eine bewegte Geschichte hat - mit Verbot im Westen und einer ziemlich guten Verfilmung mit Klaus Maria Brandauer und Rolf Hoppe 1981.

Nach einem passgenau in die gegenwärtigen Befindlichkeiten fahrenden Theaterversuch in Weimar (mit gleich fünf Höfgen-Darstellern) versucht jetzt in Halle Hagen Ritschel, dem Roman-Höfgen, der Brandauer-Version, gar dem Vorbild von beiden auf Augenhöhe zu begegnen. Und reicht ihnen nicht mal bis … - na ja, irgendwo weit darunter. Er führt dieses deutsche Mephisto-Exempel mehr vor, als dass er die Figur auslotet. Kommt mehr hinter der Brechtgardine hervor, die am einen Ende des Bühnenlaufstegs metaphorisch von den didaktischen Zaunpfählen weht, als dass er wirklich das Bühnen-Glühwürmchen ahnen ließe, das mit seinen Kunstpausen ein Publikum aus der Fassung (oder auf den subversiven Gedanken) bringen könnte. Er ist auch nicht der große Paradiesvogel (mit den gestutzten Flügeln), den die braunen Herren für ihre Bühne der Verführung gezähmt hatten - und den sie hinter dem Vorhang auf der anderen Seite des Laufstegs selbst zur Verführung nutzen wollten.

Die Zuschauer sitzen links und rechts davon. So wie die Zeit die Weimarer Republik teilte - und zerbrechen ließ. Bei ihrer mit dreieinhalb Stunden überlangen Inszenierung hat Henriette Hörnigk bis zur Pause einige Mühe, Tritt zu fassen. Dazu die Liveübertragungen mit Handkamera. Das muss man schon können. Vor allem aber muss die Technik dann auch funktionieren. Ein bisschen Volksbühne geht gar nicht.

Der Kommunist Otto Ulrichs und der Nazi Hans Miklas bleiben mehr im politischen Statement stecken, die Szene mit dem Arbeitertheater verpufft. Anders Harald Höbinger, der sich als Theophil Marder und als Alter Ego des Autors profiliert. Oder Urgestein Hilmar Eichhorn, der ein dicker General von prachtvoller Bosheit ist. Sein »Wer schwul ist, bestimme ich« findet in einer hinreißenden Personifizierung von sexueller Obsession, mit der Alexander Pensel als Juliette die Peitsche schwingt, sein Pendant. Auch Elke Richter zieht alle komödiantischen Register als Lotte Lindenthal. Ritschel aber kassiert am Ende dem meisten Jubel für sein mimisches Himmelfahrtskommando als Hendrik Höfgen.

Nächste Vorstellung: 18.4.

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