Maasvoll grundrechtswidrig

Bundesjustizminister stellt seine Idee für neue Vorratsdatenspeicherung vor

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.
Raider heißt jetzt Twix, Cat Stevens nennt sich Yusuf Islam und die Vorratsdatenspeicherung wird zur Höchstspeicherfrist.

»Vorratsdatenspeicherung lehne ich entschieden ab. Sie verstößt gegen das Recht auf Privatheit und Datenschutz. Kein deutsches Gesetz und keine EU-Richtlinie!«. Dies versprach Heiko Maas noch Mitte Dezember auf Twitter. Wie gut, dass das, was der Bundesjustizminister am Mittwoch in Berlin vorstellte, sich nicht »Vorratsdatenspeicherung«, sondern »Höchstspeicherfrist« nennt. Da hören die Unterschiede aber fast schon auf. Denn die »Leitlinien«, die noch zur Gesetzesinitiative werden müssen, sehen in etwa dasselbe vor wie jene Überwachungspraxis, die im Jahr 2010 noch vom höchsten deutschen Gericht für verfassungswidrig erklärt wurde. IP-Adressen von Computern, Verbindungsdaten von Telefongesprächen, Standortdaten bei Handys – all das sollen Telekommunikationsanbieter in Zukunft speichern müssen. Ansatzlos, das heißt ohne konkreten Verdacht gegenüber den Überwachten, den Bürgern.

»Diese Leitlinien sind ein ausgewogener Mittelweg«, kommentierte Maas am Mittwoch und nahm damit Bezug auf einige Änderungen gegenüber jener Zeit, als Vorratsdatenspeicherung auch noch Vorratsdatenspeicherung hieß: So sollen Daten »nur« zehn Wochen statt sechs Monate gespeichert werden

Weniger deutlich ist die Einschränkung bei Straftaten, die zu einem Abfragen der Daten durch Behörden führen können: »Nur bei schweren Straftaten«, verspricht die Pressemitteilung des Justizministeriums. Die »Leitlinien« des Ministers umfassen allerdings nicht weniger als 20 Delikte. Neben Mord oder Bandendiebstahl fallen auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Fluchthilfe (»Einschleusen von Ausländern«) darunter. Noch schwammiger wird es bei Fragen der Datensicherheit, mit deren Mangel Karlsruhe unter anderem das Kippen des Gesetz im Jahr 2010 begründet hatte. Zwar sollen die beteiligten Unternehmen dazu verpflichtet werden, Daten nur auf inländischen Servern zu speichern. Darüber, wie konkret die versprochene »höchstmögliche Sicherheit der Daten« darüber hinaus hergestellt werden soll, schweigen sich die Leitlinien des Ministeriums allerdings aus.

Entsprechend einhellig waren auch die Reaktionen, die Maas am Mittwoch auf seine »Höchstspeicherfrist« erhielt: Von »einem Angriff auf die Bürgerrechte« sprach Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckard, der Fraktionsvize der LINKEN Jan Korte von »Grundrechtsverletzung mit Vorsatz«, und der Vizevorsitzende der FDP Wolfgang Kubicki beklagte die Aushebelung der Unschuldsvermutung. Auch Datenschützer kritisierten den Plan: Der Lobbyverein Digitale Gesellschaft bewertete die vorgesehenen Regelungen als »grundrechtswidrig«. »Alleine die anlasslose Vorratsdatenspeicherung unserer Kommunikationsdaten ist bereits ein Grundrechtseingriff, nicht nur der Zugriff«, kommentierte der IT-Journalist Markus Beckedahl auf seinem Portal netzpolitik.org. Sein Resümee zum Maas‘schen Neusprech: »Vorratsdatenspeicherung bleibt Vorratsdatenspeicherung«.

Der einstige Gegner der Vorratsdatenspeicherung und heutige Minister machte Kritikern der »Höchstspeicherfrist« am Mittwoch allerdings wenig Hoffnung: Die Leitlinien seien »in der Substanz nicht mehr veränderbar«, so Maas. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht ihn zwingen wird, seine Aussage abermals zu revidieren.

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