Innenrevision prüft Abschiebungen

Atteste eines dubiosen Mediziners beschäftigten Ausschuss des Abgeordnetenhauses

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Fall der unrechtmäßig abgeschobenen Türkin Banu O. wurde am Montag im Innenausschuss behandelt. Die Opposition forderte eine Überprüfung der Abschiebepraxis der Behörden.

War es nur ein Einzelfall? Das Vorgehen der Behörden bei der abgeschobenen Türkin Banu O. wirft viele Fragen auf. Nach einer turbulenten Debatte am Montag will sich der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses auch in der kommenden Sitzung mit der 31-Jährigen befassen, die wie das Verwaltungsgericht Berlin vor einigen Wochen feststellte, rechtswidrig aus der Hauptstadt abgeschoben worden war.

Im Fokus der parlamentarischen Befassung mit dem Thema stand vor allem der umstrittene Arzt Rainer Lerche, über den das »ARD-Magazin Fakt« berichtet hatte, dass er die Reisefähigkeit von abgelehnten Asylbewerbern geprüft habe, obwohl er keine Approbation, also staatliche Zulassung, vorgelegt habe. Außerdem soll er nicht nur die Reisefähigkeit festgestellt haben, sondern im Anschluss auch Abzuschiebende bei den Flügen begleitet haben. Hatte die Behörde Rainer Lerche also bewusst beauftragt, um Abschiebungen zu forcieren? Im Fall Banu O. wird überdies kritisiert, dass die Ausländerbehörde die Türkin zu einem Gespräch über eine Duldung geladen hatte, um sie dann überraschend direkt nach Istanbul abzuschieben.

So etwas geht selbst der SPD-Fraktion zu weit. »Das ist eine Sache, die man überhaupt nicht hinnehmen kann«, sagte die Abgeordnete Burgunde Grosse im Ausschuss. Zuvor hatte bereits die Opposition die Abschiebeverfahren in Berlin scharf kritisiert. »Das ist eine Praxis wie in einem Bananenstaat«, erklärte Christopher Lauer (parteilos, für Piraten). Seine Fraktion forderte, jede Abschiebung, die durch den umstrittenen Arzt begutachtet wurde, noch einmal aufzurollen. Auch die Linksfraktion wollte geklärt haben, ob die Beauftragung des falschen Arztes behördliches Versagen war oder Absicht. Immerhin habe der Arzt vor Gericht von 50 000 Gutachten für die Innenbehörden gesprochen, sagte der Innenexperte der Linksfraktion, Hakan Taş. Er kritisierte zudem das Zusammenspiel von Abschiebegutachten und anschließender Flugbegleitung. Canan Bayram von den Grünen schließlich warf die für sie zentrale Frage auf, ob das eine Form des »institutionalisierten Rassismus« ist und die Behörden die Menschenrechte missachten?

Um die Vorwürfe zu klären, hat Polizeipräsident Klaus Kandt jetzt die interne Revision eingeschaltet. »Sie überprüft die Entscheidungsprozesse«, erklärte Kandt. Der in der Kritik stehende Arzt arbeite seit September 2014 nicht mehr für die Behörden. Nach einer Prüfung im Rahmen einer Abgleichung mit der Bundespolizei war der Arzt nicht der Aufforderung nachgekommen, eine Zulassung vorzulegen. Zuvor hatte er seit Mitte der Achtziger Jahre in der Gefangenensammelstelle der Polizei unter anderem Blutentnahmen vorgenommen. Wie die Kassenärztliche Vereinigung der Polizei schriftlich mitteilte, lag dafür eine Approbation vor. Möglicherweise kommt aufgrund dieser Tätigkeit die hohe Zahl von »50 000« Gutachten zustande. Im Rahmen von Abschiebungen war Lerche laut Kandt zwischen 2009 und 2014 nämlich nur 30-mal tätig, dabei zweimal auch als Reisebegleiter. Er soll allerdings bereits seit dem Jahr 2000 bei Abschiebungen eingesetzt worden sein.

Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte zu den Umständen der Abschiebung von Banu O.: »Hier wurde nicht angemessen agiert.« Weitere Fälle, wo zu Gesprächen geladen und dann abgeschoben wurde, seien ihm aber nicht bekannt. Gleichwohl werde die Ausländerbehörde künftig den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes Rechnung tragen, kündigte Henkel an. Das letzte Wort im Parlament zum Fall Banu O. dürfte das mit Sicherheit noch nicht gewesen sein.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal