Mahnende Worte und Orgelmusik

Die Nacht der Offenen Kirchen stand im Zeichen der Solidarität mit verfolgten Christen

  • Simon Brost
  • Lesedauer: 3 Min.
Bereits zum 15. Mal empfingen 95 christliche Gemeinden aller Konfessionen am 24. Mai zur Langen Nacht der Offenen Kirchen in Berlin und Brandenburg.

Zunächst bestimmten die ernsten Töne bei der 15. Nacht der Offenen Kirchen am Pfingstsonntagabend. 95 Gotteshäuser der verschiedenen christlichen Konfessionen in fast allen Berliner Bezirken und in Brandenburg nahmen daran teil.

Der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg hatte die Veranstaltung unter das Motto »Unsere Stimmen für verfolgte Christen« gestellt. Die kirchlichen Würdenträger auf der Bühne am Brandenburger Tor wählten bei der Auftaktkundgebung eindringliche Worte. Bischof Anba Damian von der Koptisch-Orthodoxen Kirche in Berlin berichtete von der Situation, die Christen in seinem Heimatland Ägypten ausgesetzt sind. Koptische Christen seien im modernen Ägypten häufig nur Bürger zweiter oder sogar dritter Klasse, beklagte der Bischof. »Märtyrer gehören nicht nur zur Vergangenheit, sondern auch zur Gegenwart«, sagte Damian mit Blick auf die Verfolgungsgeschichte der Kopten.

Solidaritätsbekundungen kamen unter anderem von Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. »Freiheit ist in unserer Welt ein verletzbares Gut, insbesondere die Freiheit des Glaubens«, unterstrich Dröge. Christenverfolgung sei in den letzten Jahren zu einem »zentralen Menschenrechtsproblem« weltweit geworden. Die mahnenden Reden, werden nur gelegentlich unterbrochen von einer Big Band, deren Lieder mit frommen Texten insbesondere einige der älteren Zuhörer im Halbrund vor der Bühne zum Mitsingen und klatschen animierten.

Im Anschluss an die Kundgebung, bewegen sich die etwa 250 Zuhörer in einem Prozessionszug zum Berliner Dom am Lustgarten. Allen voran die Bischöfe, gab eine Trommelgruppe auf dem Weg den Prachtboulevard Unter den Linden hinunter den Takt an. Die Teilnehmer des Ökumenischen Pfingstweges waren ein beliebtes Fotomotiv für die zahlreichen Touristen, die am Rand ihre Handys und Selfie-Stangen zückten. Während die Pfingstwegler zum Abschluss noch eine Andacht im Dom feierten, boten die teilnehmenden Kirchen bis in den späten Abend ein buntes Programm aus Konzerten, Lesungen und Gottesdiensten. Mal ging es wie in der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg ganz klassisch zu mit Orgelmusik, mal deftig beim Imbiss mit Schmalzstulle in der katholischen St. Mauritiuskirche in Lichtenberg. Aber auch aktuelle politische Themen wurden aufgegriffen. In der Genezareth-Kirche auf dem Neuköllner Herrfurthplatz wurden Texte, Musik und Szenen zum Thema Flucht und Vertreibung in der Bibel geboten.

Mit dabei bei der langen Kirchennacht war auch die Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche am Breitscheidplatz. Eltern schlenderten flüsternd mit ihren Kindern durch das von blauem Licht durchflutete, zylinderförmige Schiff der neuen Gedächtniskirche. Alexander Bethke, in der Gemeinde zuständig für die Orgelführungen, führte etwa 20 Interessierte auf die große Empore, um ihnen die Geheimnisse des ältesten komplexen Musikinstruments zu erklären. Was vor 2000 Jahren noch als einfacher Kasten mit Schubladen ins Wasser getaucht wurde, funktioniert heute mit Motor und sogar einem Computer, erklärte er. Nach und nach zeigte er den kleinen und großen Zuschauern, die sich um ihn versammelt hatten, die Knöpfe, Pedale und Klaviaturen des gewaltigen Instruments, das eigentlich aus fünf kleineren Orgeln zusammengesetzt ist. Die Vorführung verfehlte ihre Wirkung nicht. Später wolle er vielleicht doch nicht mehr ICE-Fahrer oder Fußballer, sondern Orgelspieler werden, erzählte der kleine Florian mit leuchtenden Augen, als er wieder von der Empore herabstieg.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal