Blockierer? Linksextremisten!

Bundeskriminalamt speicherte jahrelang friedliche Demonstranten als »linksextreme Gewalttäter«

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Mühlen in den Amtsstuben des Bundeskriminalamtes (BKA) mahlen langsam. Das müssen sie aus Sicht der Sicherheitsbehörde manchmal vielleicht auch, denn eine gut gefüllte Datei voll potenziell gefährlicher linker Demonstranten zieht auch finanzielle Mittel nach sich, um der wachsenden Bedrohung die volle Staatsgewalt entgegenstellen zu können.

Als besonders ergiebig für das BKA erwies sich in der Vergangenheit die vor sieben Jahren ins Leben gerufene Zentraldatei für »Politisch Motivierte Kriminalität – links« (PMK-links), wie die virtuellen Aktenberge in der sperrigen Amtssprache heißen. In der Datei sollen »besonders relevante Personen« sowie Initiativen und Demonstrationen dokumentiert werden, die in der Vergangenheit durch Straftaten auffällig wurden oder unter Beobachtung stehen, weil sie in Zukunft aufgrund ihres Verhaltens solche Taten begehen könnten.

Noch im Oktober 2012 musste es einem angst und bange um das vermeintlich linke Gefahrenpotenzial im Land werden. Die von den Landespolizeibehörden gepflegte PMK-links wies zum damaligen Zeitpunkt 3819 Personen aus. Zweieinhalb Jahre später jedoch ist von den angeblichen Chaoten nicht mehr viel übrig. Mit Stand zum Mai 2015 wies das BKA plötzlich nur noch 331 »linke Gewalttäter« aus. Hatte sich die Gefahr in Luft aufgelöst?

Die simple und zugleich erschreckende Antwort: Die groß heraufbeschworene Gefahr hat nie bestanden, wie das Bundesinnenministerium als Antwort auf eine Anfrage der LINKEN einräumen musste. Die Mehrheit der Einträge habe »nicht im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben« gestanden, heißt es ausweichend aus dem Ministerium.

Wer es konkreter wissen will, muss sich den Prüfbericht des damaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar vom März 2012 ansehen, dessen kritisches Papier allerdings erst seit wenigen Wochen öffentlich zugänglich ist. Schaar stellt darin mehrfach »gravierende Verstöße« in der Datei »PMK-links« fest.

So sollen vielfach Personen in der BKA-Liste gelandet sein, weil sie lediglich an Versammlungen und Demonstrationen teilnahmen oder diese anmeldeten. Ob die Betroffenen dabei mit dem Gesetz in Konflikt kamen, soll teilweise unerheblich gewesen sein, schreibt Schaar in dem Prüfbericht. Auch ob ein Beschuldigter im Nachhinein von einem Gericht freigesprochen wurde, spielte für die Aufnahme oder den Verbleib in der Liste scheinbar keine Rolle. Auch wer sich an friedlichen Sitzblockaden beteiligte, die laut dem Datenschützer legal sind, musste mit einem Eintrag in der »PMK-links« rechnen.

Die fragwürdige Speicherpraxis rief drei Jahre später auch beim BKA Zweifel auf den Plan. Mehr als 90 Prozent der Einträge sind inzwischen gelöscht, was laut Innenministerium wohl auch an verkürzten Speicherfristen liege.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag kritisiert die jahrelange rechtsstaatlich fragwürdige Praxis der Polizei und des BKAs. Es könne nicht sein, wenn »nur aufgrund eines vagen Verdachtes, ohne jegliche Anhaltspunkte, in Polizeidateien landen«, sagte Ulla Jelpke gegenüber der taz.

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