Opposition warnt vor Schleifung des Parlamentsvorbehalts

Expertenkommission legte am Dienstag Reformvorschläge vor

  • Lesedauer: 3 Min.
Ohne Zustimmung des Parlaments darf die Bundeswehr weiter nicht ins Ausland. Die CDU hätte den Parlamentsvorbehalt gerne abgeschafft gesehen. Eine Kommission kam jetzt zu interessanten Ergebnissen.

Update 15.20 Uhr: In der Opposition stößt vor allem die vorgeschlagene Kategorisierung der Einsätze durch die Rühe-Kommission auf Widerstand. Die Linksfraktion sprach von einer »Beschneidung des Parlamentsvorbehalts durch die Hintertür«. »Mittels einer Kategorisierung des Einsatzbegriffs in diverse Einsatztypen versucht die Kommission, das Parlamentsbeteiligungsgesetz zu schleifen«, erklärte der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Alexander S. Neu. Sollten Ausbildungsmissionen nicht mehr zustimmungspflichtig sein, werde die Hemmschwelle der Bundesregierung zu solchen Einsätzen sinken. Die Linksfraktion forderte eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages, um Auslandseinsätze zu beschließen.

Auch die Grünen warnten vor einer Verwässerung der Mandatspflicht für die Einsätze. »Die Mandatspflichtigkeit von der Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Einbindung in bewaffnete Konflikte abhängig zu machen und einen entsprechenden Katalog aufzustellen, ist hochproblematisch«, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Frithjof Schmidt. Eine solche Regelung sei nicht praxistauglich.

Die Einsätze der Bundeswehr

Die Expertenkommission um den ehemaligen Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) hat am Dienstag Reformvorschläge zur Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr vorgelegt. Zuletzt waren etwa 2850 Bundeswehrsoldaten außerhalb Deutschlands eingesetzt, der Großteil von ihnen mit Mandaten des Bundestages. Ein Überblick:

AFGHANISTAN

Nach dem Ende des Isaf-Kampfeinsatzes sind am Hindukusch in der Mission Resolute Support noch knapp 800 Soldaten zur Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Streitkräfte stationiert. Drei weitere Bundeswehrangehörige arbeiten für die UN-Unterstützungsmission Unama.

KOSOVO

Mit etwa 775 Soldaten ist der KFOR-Einsatz der Bundeswehr unter dem NATO-Schirm zur Stabilisierung des jungen Balkanstaats fast genauso stark wie die Afghanistan-Mission. Aufgabe der ausländischen Streitkräfte im Kosovo ist die Stabilisierung des Landes, das infoge der NATO-Bombardements von 1999 unter völkerrechtlich umstrittenen Gründen die Unabhängigkeit von Serbien erlangt hatte.

TÜRKEI

Wegen des Bürgerkriegs in Syrien beteiligt sich die Bundeswehr mit etwa 250 Soldaten im NATO-Rahmen an der Mission Active Fence zur Sicherung der Grenze zwischen beiden Ländern. Mit Patriot-Abwehrsystemen im Süden der Türkei wird der Bündnispartner vor Geschossen aus der Luft geschützt.

MITTELMEER

Ohne Mandat sind Marineschiffe mit rund 310 Soldaten im Einsatz, um Flüchtlinge zu retten. Die EU arbeitet zudem an einer größeren Mission gegen Schlepper. An der Nato-geführten Operation Active Endeavour zur Sicherung der Seewege ist die Bundeswehr derzeit nicht aktiv beteiligt.

IRAK

Knapp 80 Bundeswehrsoldaten bilden in der nordirakischen Kurdenmetropole Erbil einheimische Kämpfer aus. Angesichts des Vormarschs der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat beliefert Deutschland die kurdischen Peschmerga zudem mit Waffen und anderem Militärmaterial.

LIBANON

An der UN-Mission Unifil zum Schutz der libanesischen Mittelmeerküste beteiligt sich die Bundeswehr mit gut 140 Soldaten. Die Mission unterstützt den Libanon bei der Küstensicherung und soll vor allem Waffenschmuggel verhindern.

SOMALIA

An der EU-Mission Atalanta gegen somalische Piraten vor der Küste des Landes ist die Bundeswehr mit gut 300 Soldaten beteiligt. In einer EU-Ausbildungsmission in Somalia selbst sind acht deutsche Soldaten eingesetzt.

MALI UND SENEGAL

Bei einer EU-Ausbildungsmission in Mali sind etwa 150 deutsche Soldaten im Einsatz. An der UN-Mission Minusma zur Stabilisierung des westafrikanischen Landes, die in Mali und im Senegal operiert, beteiligen sich acht Bundeswehrangehörige.

SÜDSUDAN UND SUDAN

Fast 20 Bundeswehrsoldaten sind in der UN-Mission Unmiss im Südsudan im Einsatz. Ziele sind der Staatsaufbau in dem seit vier Jahren unabhängigen Land und der Schutz von Zivilisten. An der UN-Mission Unamid in der sudanesischen Krisenregion Darfur sind neun Soldaten beteiligt.

WESTSAHARA UND LIBERIA

In der Westsahara ist die Bundeswehr mit vier Soldaten in der UN-Mission Minurso engagiert. Ziel ist ein Referendum über den Status der von Marokko besetzten früheren spanischen Kolonie. In der UN-Mission Unmil zur Stabilisierung Liberias sind drei Bundeswehrangehörige eingesetzt.

Entscheidung über Bundeswehreinsätze bleibt beim Parlament

Berlin. Der Bundestag behält bei bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr das letzte Wort. Eine Experten-Kommission legte am Dienstag einen Bericht zu dem Thema vor, der keine wesentlichen Einschränkungen der bisherigen Mitspracherechte des Parlaments vorsieht. Die Reformvorschläge würden den Bundestag sogar stärken und gleichzeitig die Bündnisfähigkeit Deutschlands verbessern, sagte der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU), der die Kommission leitete. »Das wird die Realität verändern.«

Das Gremium untersuchte 14 Monate lang, ob der deutsche Parlamentsvorbehalt NATO- oder EU-Einsätze in unverhältnismäßiger Weise blockieren oder verzögern kann. Die deutschen Regeln sind strenger als bei den meisten Bündnispartnern. Das Parlament muss jedem bewaffneten Auslandseinsatz deutscher Soldaten zustimmen - auch wenn es sich nur um die Entsendung einzelner Militärberater in Krisengebiete handelt.

Die Rühe-Kommission definiert nun unter anderem den Begriff der bewaffneten Einsätze neu und empfiehlt, dass der Bundestag dem Einsatz von Führungspersonal in Hauptquartieren und Stäben von EU und NATO nicht zustimmen muss. Das gelte aber nur, »sofern sie sich dabei nicht im Gebiet eines bewaffneten Konflikts befinden oder dort eingesetzte Waffen unmittelbar bedienen«.

Pauschale Vorratsbeschlüsse für bestimmte NATO-Einsätze wird es aber weiterhin nicht geben. Die Kommission setzt sich auch für eine bessere Information des Bundestags ein. So sollen die Abgeordneten unter anderem künftig über geheime Operationen der Spezialkräfte informiert werden.

Vorwürfe, Deutschland sei wegen seiner strengen Regeln für Militäreinsätze unzuverlässig, weist die Rühe-Kommission klar zurück. Das Parlament habe seit 1994 den 140 Anträgen der Bundesregierung für die Entsendung von Soldaten ins Ausland ausnahmslos zugestimmt. Auch Verzögerungen von EU- und NATO-Einsätzen seien nicht festzustellen.

Im September soll sich der Bundestag mit den Reformvorschlägen befassen. Agenturen/nd

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