Ausschuss erklärt Athens Schulden für illegal

Vorläufiger Bericht kritisiert Gläubiger: »europäisches und internationales Recht mit Füßen getreten« / Schlussfolgerung der Experten: »Griechenland muss diese Schulden nicht bezahlen«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Ein vom griechischen Parlament eingesetzter Prüfausschuss hat die Zahlungsforderungen der internationalen Gläubiger an Athen als »illegal« eingestuft. Griechenland müsse daher nicht zahlen, heißt es in einem vorläufigen Prüfergebnis, das am Donnerstag im griechischen Parlament erörtert wurde.

Die linke Parlamentspräsidentin Zoé Konstantopoulou hatte den Prüfausschuss im April eingesetzt. Ihm gehören internationale Experten wie etwa der Belgier Eric Toussaint an, der mehrere Bücher zu den Themen Staatsschulden und Globalisierung geschrieben hat. Wie er gehören auch mehrere andere Mitglieder des Ausschusses dem Komitee für den Erlass der Schulden der Dritten Welt (CADTM) an.

Der Prüfausschuss stufte die Forderungen von Griechenlands ausländischen Gläubigern als illegal ein, denn diese hätten »das europäische und internationale Recht mit Füßen getreten ebenso wie die Menschenrechte«. Ihr Vorgehen sei »schändlich« gewesen, »denn die Gläubiger und die Europäische Union haben ihre möglichen Folgen gekannt«, hätten allerdings »die Augen vor den Verletzungen der Menschenrechte verschlossen«, heißt es in dem Bericht. Die eindeutige Schlussfolgerung der Experten lautet: »Griechenland muss diese Schulden nicht bezahlen.«

Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) hätten die Vorstellung verbreitet, dass es sich um Staatsschulden handele »und nicht um private Schulden«, kritisierte Toussaint. »Das war ein ausgezeichnetes Mittel, um eine Sparpolitik in Griechenland einzuführen«, fügte er hinzu. Toussaint hat an dem griechischen Dokumentarfilm »Debtocracy« (Schuldenherrschaft) von 2011 mitgewirkt. Darin wurde eine Parallele zwischen Griechenland und dem südamerikanischen Ecuador gezogen, dessen Schulden 2007 zum Teil als sittenwidrig eingestuft und erlassen worden waren.

Laut Konstantopoulou ist die Prüfung erst in ihrer »ersten Phase«. Es sei angedacht, auch den früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, oder den ehemaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn um eine Stellungnahme zu bitten.

Griechenland verhandelt seit Monaten mit seinen internationalen Gläubigern über die Bedingungen für die Auszahlung aus dem blockierten Kreditprogramm. Es geht um rund 7,2 Milliarden Euro. Streit gibt es vor allem über von den Gläubigern geforderte Kürzungen bei den Renten und die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Strom und Medikamente.

Parlamentspräsidentin Konstantopoulou wies im Zusammenhang mit der Schuldenkrise erneut darauf hin, dass Deutschland ihrem Land immer noch Reparationszahlungen im Zusammenhang mit Verbrechen in der NS-Zeit schulde. »Obwohl es sich um während der Besatzung von den Nazis verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelte, haben es die anderen Länder akzeptiert, darüber hinwegzugehen«, kritisierte die Linkspolitikerin. »Und jetzt sollten die Griechen in die Knie gehen, um Schulden zu bezahlen, die nicht die ihren sind, und die nicht im Zusammenhang mit internationalen Verbrechen stehen?«

Aus Sicht der Bundesregierung ist die Frage der Entschädigungen für die deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges bereits abschließend geregelt. Viele Experten sehen das anders. Agenturen/nd

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