Der Tod des »großen Alex«

KoKo-Chef Alexander Schalck-Golodkowski verstarb mit 82 Jahren

  • Dieter Janke
  • Lesedauer: 3 Min.
Er war so etwas wie der Erzkapitalist im Dienste des Staatssozialismus und der Devisenbeschaffer der DDR. Zuletzt lebte er zurückgezogen am Tegernsee. Nun ist er im Alter von 82 Jahren verstorben.

Alexander Schalck-Golodkowski ist tot. Wie am Montag bekannt wurde, verstarb der als »Devisenmacher« der DDR bekannt gewordene 82-Jährige bereits am Sonntagabend nach langer Krankheit in seinem Haus im oberbayerischen Rottach-Egern.

In den vergangenen Jahren war es um den für den inoffiziellen Handel der DDR mit dem kapitalistischen Ausland zuständigen Leiter des Bereichs »Kommerzielle Koordinierung« (KoKo) ruhig geworden. Über zwei Jahrzehnte war »der große Alex«, wie ihn Freunde und Kollegen nannten, ein unentbehrlicher Mitarbeiter der DDR-Führung gewesen. Seine westdeutschen Gesprächs- und Verhandlungspartner, die mit ihm vorwiegend im Stillen um für beide Seiten nützliche Geschäftsabschlüsse im Ost-West-Handel rangen, schätzten die bedingungslose Zuverlässigkeit des »Managertyps«. Hüben wie drüben galt Schalck als der verschwiegene Macher, der, wie er später selbst freimütig einräumte, schon frühzeitig erkannt hatte, dass in der DDR wirtschaftliche Interessen mächtiger gewesen waren als das Weltanschauliche.

Der DDR-Öffentlichkeit war seine Person hingegen weitestgehend unbekannt geblieben, was quasi eine der wichtigsten Geschäftsgrundlagen des offiziell dem Außenhandelsministerium unterstellten KoKo-Bereichs war. Real war Schalck dem für Wirtschaftsfragen im SED-Politbüro zuständigen Günter Mittag direkt unterstellt. Gleichzeitig berichtspflichtig war er dem Chef der Staatssicherheit, Erich Mielke. 1981 nahm er an den Verhandlungen zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker im Jagdhaus Hubertusstock am Werbellinsee teil. Zwei Jahre später war Schalck der Strippenzieher für die erfolgreichen Verhandlungen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß über einen westdeutschen Milliardenkredit für die DDR.

Jener wirtschaftlichen und politischen Machtfülle war eine steile Karriere des gelernten Feinmechanikers vorausgegangen. Noch vor Ende seines Studiums war der gebürtige Berliner ab 1956 Hauptverwaltungsleiter beim Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel. 1958 wurde er außerdem zum Vertreter des Außenhandels in der Ständigen Kommission für Bauwesen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) ernannt. 1966 wurde er für den neu gegründeten KoKo-Bereich zuständig, zu dem Ende der 1980er Jahre rund 200 Firmen gehörten. Ca. 25 Milliarden D-Mark wurden hier nach Angaben Schalcks bis 1989 für die notorisch unter Mangel an frei konvertierbarer Währung leidende DDR eingespielt. In seinen im Frühjahr 2000 erschienenen »Deutsch-deutschen Erinnerungen« bezeichnete Schalck sich selbst als »ehrbaren Kaufmann«, der stets das Beste für die Menschen in der DDR getan und sich von den Gemeinheiten des Apparats ferngehalten habe. Der Bereich KoKo habe »nicht genutzte ökonomische Ressourcen der Volkswirtschaft gezielt zur Devisenerwirtschaftung« eingesetzt. Dazu zählten auch Kunstwerke und Antiquitäten, die zum Teil staatlichen Museen und Sammlungen wie auch Privatleuten abgepresst und in die Bundesrepublik veräußert wurden – sowie Waffen, die auch in Krisengebiete exportiert wurden.

Als jene Geschäfte in der emotionsgeladenen Atmosphäre des Wendeherbstes von 1989 Stück für Stück in den Fokus der Öffentlichkeit rückten, war nicht nur die im engsten Kreis um Egon Krenz geborene Idee verbrannt, Schalck-Golodkowski, der »sich in der Ökonomie und im Umgang mit der BRD« auskenne, zum neuen DDR-Regierungschef zu machen. Der KoKo-Chef fürchtete sogar um sein Leben. Aus Sorge, »als Sündenbock für die skandalösen Machenschaften des SED-Regimes unter Honecker aufgebaut zu werden, um die Schuld von anderen abzulenken«, floh er am 2. Dezember 1989 nach West-Berlin. Hier saß er gut einen Monat lang in Untersuchungshaft, betreut vom Bundesnachrichtendienst. Nach seiner spektakulären Flucht folgten mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse, Prozesse und zwei Verurteilungen zu Haftstrafen von insgesamt 28 Monaten, die beide zur Bewährung ausgesetzt wurden. Über 20 Jahre lang lebte Schalck-Golodkowski, zuletzt zurückgezogen, in Rottach-Egern am Tegernsee.

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