EU-Gipfel versagt bei Verteilungsquote

Freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen bleibt die Regel

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Ablehnung eines festen Verteilschlüssels für 40 000 Asylsuchende war absehbar, die Enttäuschung darüber ebenso.

Brüssel. Nach einer hitzigen Debatte haben die Staats- und Regierungschefs der EU die Verteilung von 40 000 Flüchtlingen von Italien und Griechenland auf andere Mitgliedsstaaten vereinbart - jedoch nur auf freiwilliger Basis und nicht wie von der EU-Kommission und Italien gefordert auf Grundlage einer festen Quote. »Alle Staaten haben Zusagen gemacht«, sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk am Freitagmorgen in Brüssel. Ausnahmen seien nur Ungarn und auch Bulgarien. Tusk sagte: »Diese beiden Länder unterliegen schon einem großen Migrationsdruck und werden deshalb als Sonderfälle behandelt.«

Beim EU-Gipfel wurde zudem vereinbart, dass sich alle Staaten an der Umsiedlung von 20 000 anerkannten Flüchtlingen aus Lagern etwa rund um Syrien beteiligen. »Das gibt 60 000 Menschen eine Lebensperspektive«, fasste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Gipfelergebnisse zusammen und kritisierte dies zugleich als eine »bescheidene Wirkung«.

Die Staats- und Regierungschefs stritten bei den stundenlangen Beratungen darüber, ob die Umverteilung der 40 000 Asylberechtigten - Menschen aus Syrien und Eritrea - auf Basis freiwilliger Zusagen oder verpflichtender Verteilschlüssel erfolgen sollte. Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte über die Debatte: »Es gab Momente der Spannung.« Juncker sprach von »einer schwierigen Diskussion«.

Italien hatte mehr verlangt. Premier Matteo Renzi bezeichnete die Zusagen als »ersten Schritt«. In der Gipfelrunde hatte er mit die verpflichtende Quote gefordert. Diplomaten zitierten den Italiener mit den Worten: »Wenn Ihr mit der Zahl von 40 000 nicht einverstanden seid, verdient Ihr es nicht, Europa genannt zu werden. (...) Wenn das Eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt Ihr es lassen.«

Die Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für den Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge Ska Keller kritisierte die Ablehnung einer festen Quote einiger Mitgliedsstaaten. »Sie setzen das Sankt-Florians-Prinzip anstelle von Solidarität«, so die Grünen-Politikerin. Europa stehe vor der Aufgabe, einer steigenden Zahl von Flüchtlingen Schutz zu bieten. »Das geht nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Mitgliedstaaten und nicht mit einer ›freiwilligen Solidarität‹«, so Keller.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl nannte den Gipfelbeschluss einen »faulen Kompromiss« und angesichts der humanitären Krisen in EU-Staaten wie Italien und Griechenland völlig unzureichend. »Masseninhaftierung, noch rigidere Grenzwälle und massenhafte Obdachlosigkeit werden die Folge sein«, so Geschäftsführer Günter Burkhardt. Nach Einschätzung von Pro Asyl wachse nun der Druck auf die EU-Grenzstaaten, ihre Grenzen zu Bollwerken gegen Flüchtlinge auszubauen. Agenturen/nd

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