Europa und die Schotterfrage

Ein Grenzort in Niedersachsen will eine Straße nach Holland sperren - aus Geldmangel

  • Michael Evers, Wielen
  • Lesedauer: 3 Min.
Schlagbäume gibt es an diesem Grenzübergang längst nicht mehr, stattdessen jedoch viele Schlaglöcher. Wegen ihnen will die niedersächsische Gemeinde Wielen den Übergang nach Holland schließen.

Schlaglöcher machen den Balder-haarweg für Radler zu einer Gefahr, und wegbrechende Seitenstreifen bringen auch Autos aus der Spur. Weil die niedersächsische Gemeinde Wielen die rund 50 000 Euro zur Sanierung der Straße nicht aufbringen kann, will sie den Grenzübergang in die Niederlande notgedrungen für Autos schließen.

Doch der Widerstand der Bürger ist groß - und zeigt erste Erfolge. Nach einer Protestwelle, Unterschriftenaktionen und einer Online-Petition wird die Schließung nun vorerst aufgeschoben. Beiderseits der Grenze wollen Gemeinden nach Geld und möglichen Subventionen der Europäischen Union suchen.

»Wir haben alle Bauchschmerzen dabei gehabt, wir stehen mit dem Rücken an der Wand«, sagt Bürgermeister Gerhard Plöns. »Wir haben schon das Freibad schließen müssen.« Zu dem jüngsten Entschluss sei es aus der Not heraus gekommen, weil die einspurige Straße zum Sicherheitsrisiko geworden sei.

600 Autos wurden bei einer Zählung alleine von morgens sechs bis abends um sieben Uhr registriert. »Das ist eine kleine Gemeindestraße, die ist für so viel Verkehr nicht geeignet.« Zwei Betonpoller an der Grenze engen die Verbindung sowieso schon ein, damit nicht noch Lastwagen die teils noch gepflasterte Straße ramponieren.

Die Ankündigung der Schließung Mitte Juni - auf holländischer Seite wurde gleich ein Schild aufgestellt - schlug dann hohe Wogen. »Es gibt Widerstand in der Bevölkerung und eine Unterschriftenaktion. Auch deutsche Firmen haben sich gemeldet, die Angst haben, dass sie weniger Kundschaft haben«, sagt Plöns. Auf niederländischer Seite habe man gesagt: »Das geht gar nicht.«

Dort kam die Sorge auf, dass sich der ganze Verkehr auf einen weiteren kleinen Grenzübergang verlagert. Quasi als Strafaktion forderten niederländische Lokalpolitiker schon, dann auch diesen Grenzübergang zu schließen. Bis zur nächsten Hauptstraße, dem offiziellen Grenzübergang, ist es ein Umweg von sechs bis sieben Kilometern.

Beim deutsch-niederländischen Kommunalverband Euregio ist man über den Straßenstreit gar nicht glücklich. »Betroffen sind zum Beispiel Niederländer, die in Deutschland wohnen und ihre Kinder in der Heimat in die Schule bringen - für die bedeutet das einen großen Umweg«, meint Verbandssprecherin Marie-Lou Perou dazu. Und: »Das ist alles kontraproduktiv für die europäische Integration: Je länger der Umweg ist, desto höher ist die Schwelle, über die Grenze zu gehen.« Bei der Suche nach Geld haben inzwischen auch Firmen Unterstützung signalisiert, denn sie fürchten den Verlust von Kundschaft ohne die direkte Straße ins Nachbarland. Bisher schon hatten Anlieger selber Hand angelegt, um mit von der Gemeinde geliefertem Schotter die größten Löcher zu stopfen. Inzwischen sei die Schließung des Balderhaarwegs um drei Monate aufgeschoben und ein Hilferuf unter anderem an den Landkreis und die Euregio gerichtet worden, sagt der Bürgermeister.

Auch im Rathaus von Hardenberg, der nächsten niederländischen Gemeinde, signalisiert man inzwischen Hilfsbereitschaft, wie eine Sprecherin sagt. Gemeinsam wolle man nun Finanzierungsmöglichkeiten finden. dpa/nd

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