Wald- und Wiesenregelung

Öko-Institut sieht in neuer Studie bei Einbeziehung von Land- und Waldnutzung die europäischen Klimaziele in Gefahr. Von Ingrid Wenzl

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Klimagipfel in Paris rückt näher, und mit ihm wächst der Druck auf die EU, ihren Beitrag klarer zu formulieren. In ihrem Klimaschutzpapier verpflichtet sie sich dazu, bis 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent zu verringern. Während das bei Industrie und Energieerzeugung der Handel mit Emissionsrechten regeln soll, fallen die übrigen Sektoren, wie Landwirtschaft, Verkehr, Müllentsorgung oder Bau, unter die EU-Vereinbarung zur Lastenteilung - Effort Sharing Decision (ESD). Diese Bereiche machen gemeinsam ein Drittel aller Treibhausgasemissionen der EU aus. Unklar ist bisher, wie mit dem Sektor »Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft« (LULUCF) verfahren werden soll. Drei Lösungen sind derzeit im Gespräch: Entweder er wird in das bereits bestehende Instrument der ESD integriert oder mit dem Landwirtschaftssektor zusammengelegt, oder er muss separat eigene Ziele erreichen.

Das Öko-Institut hat nun im Auftrag der Nichtregierungsorganisation »Fern« und der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) in einer Studie die Auswirkungen dieser drei Optionen für den Zeitraum 2021 bis 2030 untersucht. Dabei zeigte sich, dass eine Einbeziehung von Landnutzung und Forstwirtschaft in die Lastenteilung die Anstrengungen der anderen Sektoren deutlich mindern würde: Bis zu 65 Prozent Klimagase weniger müssten sie dann nach den Berechnungen des Ökoinstituts einsparen, denn bislang ist die Bilanz der Landnutzung dank Speicherung von Klimagasen in Wald und Mooren positiv, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Damit würden insgesamt statt der anvisierten 40 nur 35 Prozent der Treibhausgase reduziert. Noch gravierender wäre die gemeinsame Abrechnung von LULUCF und Landwirtschaft, da letztere allein schon rund zehn Prozent der Treibhausgase der EU ausstößt.

Das Ökoinstitut befürwortet es deshalb, den LULUCF als eigenständigen Sektor zu behandeln: »Wir wollen, dass diese Senke und die Gutschriften (für die in Wald und Moorböden gespeicherten Klimagase) erhalten bleiben«, erklärt der Hauptautor der Studie, Hannes Böttcher. Seiner Ansicht nach sollten sogar Anreize geschaffen werden, in Wald und Torfböden künftig noch mehr CO2 zu binden. Auch argumentiert er mit der Besonderheit des Sektors, zeitweise Treibhausgase zu emittieren und sie auch wieder aufzunehmen, sowie der damit verbundenen Datenunsicherheit. Denn wie viel CO2 dort tatsächlich gespeichert wird, lässt sich nur grob schätzen. Bei Wäldern hängt das davon ab, wie viel geerntet wird. »Nur alle vier bis fünf Jahre wird eine Waldinventur durchgeführt«, berichtet Böttcher. Berechnungen des Ökoinstituts ergaben zudem, dass in den nächsten Jahren weite Waldflächen dem Anbau von Energiepflanzen zum Opfer fallen könnten. »Emissionen aus der Bioenergienutzung müssen ehrlich in die Bilanz einfließen und der Einsatz von Biomasse auf ein nachhaltiges Maß eingeschränkt werden«, erklärt Linde Zuidema von »Fern«.

Nicht alle Mitgliedsstaaten sind von der Entscheidung, wie mit LULUCF verfahren werden soll, gleich stark betroffen. So würde Irland steigende Emissionen aus der Viehhaltung gerne über seine hohe Aufforstungsrate kompensieren. In Deutschland geht es vor allem um die sogenannten organischen Böden: In Niedersachsen erstreckten sich früher große Moore, heute werden die trockengelegten Flächen oft als Weideland genutzt. Das im Torf gespeicherte CO2 und Methan entweicht langsam und macht dabei, laut Berechnungen des Thünen Instituts aus dem Jahre 2013, zwei bis fünf Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus. »Eine Klimaschutzmaßnahme wäre es, diese Böden aus der Nutzung zu nehmen und die Wasserstände wieder zu erhöhen, damit die Torfböden erhalten bleiben«, erklärt Böttcher. Denn insgesamt ließen sich Emissionen leichter verhindern, als später diese Gase zu binden: »Ein Baum ist schnell gefällt, aber bis ein neu gepflanzter Baum groß ist, das dauert viele Jahre«, mahnt der Wissenschaftler.

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