Das Vertrauen in SYRIZA bröckelt

Nach einer Woche »Bankferien« und medialer Panikmache ist die Regierung in Misskredit

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch einmal Schlange stehen, noch einmal Großkundgebungen - viele Griechen brachten in dieser Woche mehr Zeit auf den Straßen zu, als sie gewohnt und ihnen lieb ist.

Die Woche der »Bankferien« war auch jene des Vertrauenseinbruchs für die griechische Regierung. Er erreichte seinen Höhepunkt, als Staatsminister Nikos Pappas am Donnerstag gestand, dass die für den Tag nach dem Referendum am Sonntag versprochene Bankenöffnung auf den Tag, an dem eine Vereinbarung steht, verschoben wird. Die aber steht mehr und mehr in den Sternen. Zwar beteuert die SYRIZA-geführte Regierung, die Gläubiger hätten sich bereits in den vergangenen Tagen auf die Regierung zubewegt, aber die auch in Griechenland bekannten Meldungen aus Berlin, Brüssel und New York sprechen eine andere Sprache.

Zwischendurch verdarb man es sich auch noch mit den Rentnern. Die standen am Freitag zum dritten Mal in Schlangen vor etwa 1000 Bankfilialen im ganzen Land, um pro Kopf eine Barauszahlung von 120 Euro in Empfang zu nehmen. Ursprünglich war den hellenischen Senioren für Montag die volle Auszahlung der Rente, von der in Zeiten der Krise oftmals die ganze Familie zehrt, zugesagt worden. »Ich habe im Januar zum ersten Mal in meinem Leben links, also SYRIZA gewählt, aber jetzt bin ich von denen völlig enttäuscht«, bekommt man nun zu hören.

Die Rentneransammlungen vor den Banken boten die Steilvorlage für die Panikmache der privaten Massenmedien. Die berechtigte Angst, das Lavieren der Regierung und die einseitige mediale Horrorkampagne haben ihre Wirkung nicht verfehlt. In am Freitag veröffentlichten Umfragen wird dem Ja ein knapper Sieg am vorausgesagt. In einer Befragung der sozialdemokratischen Zeitung »Ethnos« votierten 44,8 Prozent für ein Ja, die Gegenseite kam auf 43,4 Prozent.

Am Freitagabend mobilisierten noch einmal beide Seiten zu einer letzten Großkundgebung. Die »Memorandumsgegner« hatten dabei auf dem Syntagma-Platz eine Rede des Ministerpräsidenten und ein reichhaltiges Programm bekannter Künstler zu bieten. Die »Eurofreunde« trafen sich zu selber Stunde im nahe gelegenen alten Olympiastadion.

Beide Seiten warten auch mit Stimmen von höchst integren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf. So meldete sich der kurz nach Ausbruch der Krise von der politischen Bühne abgetretene Ministerpräsident Kostas Karamanlis zu Wort. »Griechenland ist ein untrennbarer Teil des vereinten Europas, Europa ist unser Zuhause«, erklärte der Vorgänger von Antonis Samaras an der Spitze der konservativen Nea Dimokratia. Sollte es zu Neuwahlen kommen, wäre Karamanlis ein aussichtsreicher Kandidat. Auch weil er der Neffe von Konstantinos Karamanlis ist, der das Land nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur 1974 wieder »in die Normalität« zurückgeführt hatte.

Ein politisches Schwergewicht hat aber auch die andere Seite zu bieten. »Natürlich ist es nicht möglich, der Gläubigervereinbarung zuzustimmen«, erklärte der große linke Komponist und Widerstandskämpfer Mikis Theodorakis. Das Nein müsse aber ein Nein zu »allen Vereinbarungen sein, die dem Volk weitere Lasten aufbürden«. Der in allen politischen Lager geachtete Barde hatte schon einmal aktiv an einem »großen Nein« teilgenommen: Am 28. Oktober 1940 antwortete Griechenland mit Oxi auf das Ultimatum von Benito Mussolini, das Land kampflos den Verbündeten der Nazis zu überlassen. Der folgende siegreiche Widerstand gegen den Einmarsch wird bis heute mit dem Oxi-Tag am 28. Oktober gefeiert.

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