Flüchtlingsretter im Schutzanzug

Ministerin von der Leyen berichtete über Bundeswehreinsatz im Mittelmeer

  • Hagen Jung, Hannover
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 5700 Flüchtlinge rettete die Bundeswehr bereits im Mittelmeer. Darüber berichtete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Hannover. Zu geplanten Angriffen auf Schlepper sagte sie nichts.

Politisches hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) weitgehend ausgeblendet, als sie am Donnerstag in Hannover vor der niedersächsischen Landtagsfraktion der CDU und einer Schar ausgewählter Gäste über den Einsatz der Bundeswehr beim Retten von Flüchtlingen referierte. Sieht man von ihrem schon vor Tagen verbreiteten Appell ab, alle europäischen Staaten müssten sich an der Aufnahme der Geflüchteten beteiligen.

Wer erwartet hatte, die Ministerin werde Konkretes zu einer Beteiligung der Bundeswehr bei künftigen Aktionen gegen kriminelle Schlepperbanden auf See sagen, wurde enttäuscht. Ursula von der Leyen hatte vor wenigen Tagen angekündigt, Deutschland werde sich in solche Einsätze »angemessen einbringen«, hatte aber nicht verraten, in welcher Weise. Beim Versenken der Boote von Schleusern? Auch im Vortrag, dem Statements von Fachleuten und eine Diskussion folgten, sagte die Ministerin zu dieser Frage kein Wort. Und die Befürchtung des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), es könnten bei solch einem Einsatz auch Boote beschossen werden, in denen sich Flüchtlinge befinden? Dazu war von der Ministerin ebenfalls nichts zu hören.

Und so war das Referat, angekündigt zum Thema »Flüchtlingskatastrophe an den EU-Außengrenzen - Deutschlands Verantwortung in der Welt aus Sicht der Bundeswehr« im Wesentlichen ein - durchaus informativer - Lichtbildervortrag. Von ihrer Reise nach Catania in Sizilien, wo die Bundeswehrschiffe mit den Geretteten anlanden, hatte von der Leyen ihre Eindrücke mitgebracht.

Aufnahmen von Booten waren zu sehen, auf denen Flüchtlinge den Weg in eine bessere Zukunft gesucht hatten. Eingepfercht und eng aneinandergedrängt, wie in einem Dreiklassensystem auf drei Stufen platziert. Ganz oben diejenigen, die den Schleppern die höchsten Beträge zahlten, in der Mitte Menschen, die etwas weniger Geld aufbringen konnten. Ganz unten jene, die mit Ach und Krach den Mindestbetrag für die riskante Reise zusammengekratzt hatten. Toiletten gibt es auf solchen Booten nicht, ließ die Ministerin ihre Zuhörer wissen. Scheußliche Folge: Die menschlichen Ausscheidungen fließen buchstäblich von oben nach unten - auf die Ärmsten.

Detailliert schilderte von der Leyen, wie die Soldaten beim Retten vorgehen, wie sie das Kentern der kleinen Boote verhindern. Wichtig, denn die meisten Flüchtlinge können nicht schwimmen. Die Aufnahme der Betroffenen an Bord der Bundeswehrschiffe, die Versorgung mit Speis und Trank, das Bereitstellen von Schlafplätzen und Möglichkeiten zur Körperpflege - all dies war beim Blick auf die Bilder mitzuerleben. Die Soldaten, die zum Infektionsschutz trotz sehr hoher Temperaturen ganztägig in Schutzanzügen arbeiten, nutzen die Überfahrt auch, um Gespräche mit den Geretteten zu führen. Dabei, so von der Leyen, ließen sich Informationen über »organisierte kriminelle Schlepper« gewinnen. Das sei wertvoll für deren Bekämpfung.

Die Pläne dazu jedoch sollen erst in den Phasen zwei und drei des EU-Einsatzes im Mittelmeer umgesetzt werden. Probleme dabei bereitet das Nein der beiden libyschen Regierungen. Es gibt eine reguläre, von der EU anerkannte und eine inoffizielle. Beide lehnen EU-Aktionen in ihrem Hoheitsgebiet bisher ab. Aber im Vordergrund stehe derzeit ohnehin Phase eins, so die Ministerin: das Retten.

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