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Romeo und Julia zu Besuch beim wahnsinnigen Dänenprinzen

Sommertheater: »Hamlet« in der Ruine der Franziskaner-Klosterkirche

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Romeo und Julia zu Besuch beim wahnsinnigen Dänenprinzen: Auch in diesem Jahr gastiert das Neue Globe Theater wieder in der Ruine der Franziskaner-Klosterkirche am Alexanderplatz.

Noch gibt es sie in Berlin, diese magischen Orte, die wie aus der Zeit gefallen wirken. Die alte Franziskaner-Klosterruine unweit des Alexanderplatzes ist so ein Ort, mit seinen hohen Steinmauern und den ornamental verzierten Spitzbögen. Im dritten Jahr hintereinander werden in diesem Sommer Stücke von Shakespeare aufgeführt - nach »Wie es Euch gefällt« zeigt das Neue Globe Theater bis 8. August »Hamlet«.

»Die tragische Geschichte von Hamlet, Prinz von Dänemark« (so der genaue Titel) als Sommertheater - passt das? Nun ja, bei der Vielzahl an Freiluftensembles, die das kulturelle Sommerloch in Berlin mit Shakespear’schen Komödien stopfen, ist es durchaus sinnvoll, mal eine Tragödie dazwischen zu mischen. Allerdings will die Inszenierung unter der Regie von Kai Frederic Schrickel, der das Neue Globe Theater erst dieses Jahr zusammen mit zwei seiner Darsteller in Potsdam gegründet hat, keine reine Tragödie sein, sondern auch die komischen Seiten des Stücks ausloten - eine riskante Gratwanderung, die leider nur teilweise gelingt.

An der darstellerischen Leistung liegt das nicht. Das siebenköpfige Ensemble - alles Männer, die in elisabethanischer Tradition auch die weiblichen Rollen übernehmen - agiert gekonnt und voller Spielfreude, die Darsteller schlüpfen mühelos von einer Rolle in die andere. Drei Rollen mindestens sind es, die jeder der Protagonisten bewältigen muss, denn die wohlbekannte Geschichte vom zusehends in den Wahnsinn abdriftenden Dänenprinzen Hamlet wird mit einem Spiel im Spiel aufgepeppt: Eine reisende Truppe bringt »Romeo und Julia« auf die Bühne von Schloss Helsingor und verleiht so dem Drama um den rachefixierten Hamlet eine zusätzliche Dimension. Ein typisch sommertheatralischer Griff in die Trickkiste, um der fast griechisch anmutenden Familiensaga das allzu Grüblerische, Schwere zu nehmen. Doch so richtig haut das nicht hin, der Einschub wirkt allzu gekünstelt und ist zudem überflüssig für den Fortgang der Handlung.

Überhaupt fehlt es dem Drei-Stunden-Stück zum Teil an Tempo und Dynamik, hätte man sich vor allem im Mittelteil eine straffere Dramaturgie gewünscht. Im Gegensatz zum Schluss, bei dem ein furioses Fechtduell sich zu einem wahren Massen(selbst-)mord steigert und man kaum mehr weiß, was »echt« und was Spiel im Spiel ist. Pistolen, Gift, Schwert, alles ist Hamlet recht, um die Sippe auszurotten und seine wohlverdiente Rache auszukosten.

Saro Emirze gibt die Titelfigur nicht, wie so oft, als schwächlichen und beeinflussbaren Jüngling, sondern als temperamentvollen Spieler und Kämpfer; der Zweikampf gen Ende, in dem ein höhnischer Hamlet den trauernden Laertes (Dierk Prawdzik), Bruder der Ophelia, mit seinem Spott bis aufs Blut reizt, wirkt ebenso authentisch wie die Monologszenen, in denen Hamlet seine eigene Wahrnehmung hinterfragt.

Ihm zur Seite steht sein Uni-Freund Horatio (Till Artur Priebe), während die stets am Rande der Hysterie zitternde Ophelia keine Hilfe ist. Thomas Kellner spielt die junge Frau als Getriebene im weißen Spitzenkleidchen, ausgestattet mit manisch-depressiven Zügen und stets nervig vor sich hinsingend. Arg übertrieben wirkt diese Frauenrolle, das Gegenteil von Hamlets Mutter, Königin Gertrud, der Andreas Erfurth Eleganz und Stoizismus verleiht. Ihren zweiten Mann Claudius, der durch den Mord an seinem Bruder auf den Thron von Dänemark gelangt ist, gibt Urs Stämpfli als vordergründig sympathischen Onkeltyp, der im Geheimen schon die Beseitigung von Hamlet plant. Szenenapplaus erhält der großartige Sebastian Bischoff als alternder Staatsmann Polonius, der sich mit Gehstuhl und Tatterich über die Bühne schiebt und zudem noch als Clown, Totengräber und Julia brilliert. So ist »Hamlet« trotz einiger Längen ein atmosphärisch dichtes Stück an einem faszinierenden Ort zwischen Gestern und Heute.

Ruine der Franziskaner-Klosterkirche, Klosterstr. 73a, Mitte, bis 8. August, täglich 20 Uhr. 12.-16. August: »Wie es Euch gefällt«; Karten: (01575) 420 87 61 oder kontakt@NeuesGlobeTheater.de.

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