Wolfsburgs Blut, Münchens Gier

Der VfL gewinnt erstes Duell gegen Bayern - könnte aber noch zum großen Verlierer werden

Bleibt er, oder bleibt er nicht: Mit Kevin de Bruyne könnte Wolfsburg wieder ein ernsthafter Konkurrent des FC Bayern sein. Ein erster Teilerfolg gelang dem VfL schon mal.

Vielleicht schon am Sonntagmorgen machte sich Klaus Allofs auf, um diese gold und silbern glänzende Trophäe an ihren Bestimmungsort zu bringen. »Dieser Pokal fehlt uns noch. Es wäre schön, wenn wir die Vitrine auffüllen könnten«, hatte der Wolfsburger Manager vor dem Duell um den Supercup gegen den FC Bayern München gesagt. Mit dem Sieg - 6:5 im Elfmeterschießen vor 30 000 Zuschauern in der ausverkauften VfL-Arena - setzte die Mannschaft Allofs’ freche sowie majestätsbeleidigende Forderung in die Tat um. Wolfsburg verwehrte dem Rekordmeister aus München seinen insgesamt 53. nationalen Titel. Für den Fußballklub aus der Autostadt ist es nach der Meisterschaft 2009 und dem Pokalsieg 2015 der dritte.

Die Frage, ob der VfL Wolfsburg nun ein dauerhafter Konkurrent des FC Bayern sein wird, konnten die 90 Minuten natürlich nicht beantworten. Einen Hinweis auf die kommende Saison und auf die Gemütslage - vor allem die der Münchner - gaben sie allemal.

Vor dem Spiel wurden noch die besten der vergangenen Saison geehrt. Es waren Wolfsburger. Dieter Hecking bekam die Trophäe für den Trainer des Jahres, Kevin de Bruyne die des Spielers. Und Hecking stellte seine Mannschaft wie schon beim 4:1-Sieg gegen den FC Bayern im Januar gut auf den Gegner ein. Meist versuchte der VfL über schnelle Konter gefährlich zu werden. Zeitweise konnte er die Münchner aber auch mit einer durchaus dominanten Spielweise unter Druck setzen. Für seine Verhältnisse hatte der FC Bayern mit 54 Prozent Ballbesitz einen eher schlechten Wert. Nach dem Spiel und mit dem Supercup in der Hand formulierte Hecking das neue Anspruchsdenken in Wolfsburg: »Nach dem zweiten Titel in acht Wochen haben wir Blut geleckt.«

Auch Kevin de Bruyne rechtfertigte die Vorschusslorbeeren. Immer wenn der schnelle Offensivallrounder am Ball war, strahlte er Gefahr aus. Er hatte kurz vor dem Pausenpfiff auch die beste Wolfsburger Torchance. Nach einem langen Ball düpierte er den heraus geeilten Münchner Torwart Manuel Neuer, traf dann aber das leere Tor nicht. Und er bereitete eine Minute vor dem Schlusspfiff den Ausgleichstreffer vor. Der 24-Jährige erlief mit einem langen Sprint die Steilvorlage von Josuha Guilavogui und bediente Stürmer Nicklas Bendtner im Fünfmeterraum passgenau.

Kevin de Bruyne war wieder mal der mit Abstand beste Wolfsburger Spieler - einer der den bekannten Unterschied ausmacht. Vielleicht genau den Unterschied zwischen einem guten Bundesligateam und einem ernsthaften Titelkonkurrenten für den FC Bayern. Und genau das ist das Problem für den VfL. Auch wenn sich Spieler wie Daniel Caligiuri, Maximilian Arnold, Vieirinha oder Ivan Perisic hervorragend entwickelt haben - der junge Belgier ist nicht zu ersetzen. Und das Transferfenster ist noch bis zum 31. August geöffnet. Für de Bruyne gibt es schon jetzt Angebote im hohen, zweistelligen Millionenbereich. Und wer weiß, welche Summen die neureichen Klubs aus England oder auch Paris St. Germain in der Hektik der letzten Tage noch in den Markt pumpen?

Gut möglich, dass der FC Bayern genau darauf hofft. Eigenes Interesse an de Bruyne hatte der Klub aber auch schon signalisiert. Jedenfalls sind die Münchner mehr denn je bereit, für den Erfolg zu investieren. Wenn sich dabei gar noch ihre gängige Strategie anwenden lässt, zusätzlich die nationalen Konkurrenten zu schwächen, umso besser. In ihrer Gier, vor allem nach internationalem Ruhm, werden sich die Münchner jetzt selbst untreu. »Solche Spieler möchte ich nicht bei Bayern haben«, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge im Sommer 2011 über Arturo Vidal. Einen miesen Charakter hatten sie ihm damals in München unterstellt. Nun haben sie den kampfstarken Mittelfeldspieler für mehr als 35 Millionen Euro gekauft.

Vidal wurde in Wolfsburg erst spät eingewechselt und konnte noch nicht zeigen, was er drauf hat. Der brasilianische Neuzugang Douglas Costa, für 30 Millionen Euro gekommen, spielte von Beginn an und hatte auf dem linken Flügel einige gute Aktionen. In der 49. Minute bereitete er auch die Führung durch Arjen Robben vor. Insgesamt spielten die Münchner verlässlich gut und beherrschten den Gegner auch phasenweise. Aber: Außergewöhnliches bot der FC Bayern nicht. Und das Defensivverhalten war nicht immer souverän.

Also wütete Pep Guardiola wie üblich an der Seitenlinie. Dass der Trainer aber vor dem Elfmeterschießen minutenlang und energisch auf seine Spieler einredete, hat noch einen anderen Grund. Er forderte vehement, Selbstbewusstsein auch beim Duell vom Punkt zu zeigen. Denn den VfL Wolfsburg, mit Kevin de Bruyne, nehmen die Münchner sehr ernst. Selbstbewusster geht nach diesem Erfolgserlebnis nun aber erst mal der VfL in die neue Saison.

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