Mit Sekt und Joint im Kinderbad

Unsere Kolumnistin träumt sich zurück zu einem nächtlichen Besuch im Schwimmbad im Berliner Monbijou-Park

Im Schwimmbad im Berliner Monbijou-Park waren früher nicht nur kleine Kinder unterwegs.
Im Schwimmbad im Berliner Monbijou-Park waren früher nicht nur kleine Kinder unterwegs.

Der Fernsehturm glänzt silbrig. Es ist kein Stern zu sehen, nur ein paar erleuchtete Fenster in den Hochhäusern und der Spielbank am Alex. Die Laternen am Spreeufer blinkern durch die Bäume. Es platscht, als Ingo mit den Füßen das flache Wasser peitscht. Ich lasse mich in das große Becken gleiten und schwimme. Immer wenn ich auftauche, höre ich Antje lachen. Einmal auch Uta, Ingo keckert dazu wie eine Ziege, dann platscht er wieder. Nach ein paar Bahnen setze ich mich zu den anderen ins flache Becken, es ist noch Sekt da und ein Zug des Joints.

Als ich letzten Samstag zum Müggelsee starten will, checke ich Regenradar, BVG-App und Wasserqualität. Regen ist keiner angekündigt, aber mir droht eine zweistündige Reise über Tempelhof inklusive Ersatzverkehr. Außerdem könne aufgrund unwetterartiger Starkregenfälle Abwasser in das Gewässer gespült worden sein. Richtungswechsel. Vierzig Minuten später stehe ich am Sommerbad Pankow, schwarze Wolken ballen sich über saftig grünen Liegewiesen zusammen. Entspanntes Personal bei der Ausweis- und Taschenkontrolle, an der Kasse und den Becken. Es sind weniger Badende auszumachen als Beschäftigte, in Grüppchen stehen sie beieinander und plauschen. 

Über Wasser

Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.

Die Terrassenanlage längs des großen Schwimmbeckens ist nagelneu und geräumig, die Duschen und Umkleiden ebenso. Ein Vorhängeschloss angebracht, der grünen Eichenschrecke an der Kabinenwand zugewinkt, los geht’s. Das 50-Meter-Becken ist durch eine Leine geteilt, wir schwimmen zu viert im Kreis, ein schnellerer mittig. Das Wasser ist angenehm temperiert. Als ich fertig bin, schlendere ich zum Erlebnisbecken hinüber. Davor das Sprungbecken mit seinem auf 7,5 Meter gestutzten Sprungturm. Was einst wie ein riesiger See anmutete, ist nun in geschwungene Becken mit metallisch glänzenden Rutschen und Wasserkanonen verwandelt. Ich ziehe im schulterhohen Wasser einige Runden Delfin. Strömungskanal und Pilz sind nicht angestellt, nur von der breiten Rutsche landen ab und an kreischende Jungs im Becken. Ich lege mich auf die Blubberliegen im flachen Wasser und schließe die Augen. Es wird dunkel.

Es planscht, jemand kichert. Ich reiße die Augen auf und bin Mitte Zwanzig, liege nackt im Kleinkinderbecken des Mombis. Neben mir steht eine Flasche Sekt, meine Freunde lümmeln reihum und genießen die Sommernacht. Meine Füße kribbeln, eben haben wir stundenlang im neuen Kellerklub des Tacheles getanzt. Danach müssen wir wohl mit einigen Flaschen Sekt die Oranienburger Straße entlanggezogen und mal wieder ins Kinderbad im Monbijou-Park eingestiegen sein. Hier stand ein Rokoko-Schloss in Berlins Mitte, habe ich im Kunstgeschichts-Seminar gelernt, die Fortsetzung in wenigen Stunden werde ich wohl verschlafen. Ich strecke mich aus und treibe auf dem flachen Wasser, in den Ohren noch den Bass des Keller-Technos. 

Als mir kalt wird, richte ich mich auf. Es ist dunkel über Pankow, erste Tropfen fallen ins Becken, das glatt wirkt wie ein See. Ich wate an Land, hülle mich in mein Handtuch und eile die Terrassen hoch wie ein junges Mädchen. Der heißen Dusche entgegen.

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